«Die Europäische Kommission hat den undurchführbaren, teuren und unmenschlichen Forderungen einiger migrationsfeindlichen Regierungen nachgegeben. Die Kommission selbst hatte das Konzept der ‚Rückkehrzentren‘ im Jahr 2018 verworfen. Sie ist sich sehr wohl bewusst, dass diese Vorschläge Millionen von Euro verschwenden und zu massiven Menschenrechtsverletzungen führen werden», sagte Eve Geddie, Direktorin des Büros für europäische Institutionen von Amnesty International.
«Der heutige Vorschlag schafft die Grundlage dafür, dass EU-Staaten Menschen in Länder schicken, zu denen die Asylsuchenden keinerlei Verbindung haben. Ohne glaubwürdige Garantien, dass ihre Rechte gewahrt bleiben, werden sie in Haftanstalten dahinvegetieren. Diese Rückführungspläne sind ein neuer Tiefpunkt für Europa», so Geddie weiter.
Amnesty International und über 100 Menschenrechtsorganisationen in ganz Europa haben seit langem davor gewarnt, dass die neuen EU-Rückführungspläne schwerwiegende diplomatische, rechtliche und finanzielle Auswirkungen für Europa haben werden und zu gravierenden Menschenrechts-Verstössen führen können, darunter willkürliche Inhaftierung und Verletzungen des völkerrechtlich zwingenden Non-Refoulement-Prinzips. Diese verbietet die Abschiebung in ein Land, in dem unmenschliche Behandlung oder Folter drohen.
«Die australischen Offshore-Internierungszentren, das Abkommen Italiens mit Albanien oder das abgebrochene Ruanda-Programm des Vereinigten Königreichs – wir haben diese gescheiterten Massnahmen bereits erlebt. Sie führen zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten sowie systematischer willkürlicher Inhaftierung und anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen. Hinzu kommen enorm hohe Kosten durch teure, leerstehende Zentren.»
Abgesehen von den Rückführungszentren sind auch andere Aspekte der Vorschläge der EU-Kommission zutiefst beunruhigend. Dazu gehören die Ausweitung und Verlängerung der Inhaftierung von Personen, gegen die Rückführungsentscheide auf der Grundlage vager und strafrechtlicher Gründe ergangen sind. Es werden neue Sanktionen für die unzureichende «Kooperation» bei Rückführungsverfahren und eine verstärkte Anwendung von Einreiseverboten angedroht. Die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise sollen begrenzt werden und es sind weitreichende Ausnahmeregelungen für Personen vorgesehen, die als Sicherheitsrisiko gelten – unter Umgehung ordentlicher und fairer Strafverfahren.
«Die Entscheide zeugen von einer alarmierenden Missachtung des Völkerrechts.» Eve Geddie, Direktorin des Büros für europäische Institutionen von Amnesty International
Nach der Annahme des Migrations- und Asylpakets im vergangenen Jahr werden in der gesamten EU noch viel mehr Menschen auf der Flucht erleben, dass ihre Asylanträge in Schnellverfahren abgelehnt werden.
«Die heutigen Ankündigungen zeigen, in welche besorgniserregende Richtung die neue EU-Kommission in Sachen Migration und Asyl gehen will. Die Entscheide zeugen von einer alarmierenden Missachtung des Völkerrechts. Die mangelnde Solidarität der EU und das Abschieben der Verantwortung an Drittstaaten wird Ländern ausserhalb Europas nicht entgehen. Damit wird auch das globale System zum Schutz von Geflüchteten untergraben – und das zu einer Zeit, in der Europa Partnerschaften aufbauen sollte, anstatt Brücken hinter sich abzubrechen», sagte Geddie.