© Giorgi ARJEVANIDZE / AFP via Getty Images
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Georgien Polizei schlägt Proteste mit übermässiger Gewalt nieder

17. Dezember 2024
Wie Amnesty International am 13. Dezember bekannt gab, waren Hunderte von Demonstrant*innen in den vergangenen zwei Wochen an regierungskritischen Demonstrationen physischen Übergriffen, willkürlichen Verhaftungen, Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt.

Ein ausführlicher Bericht, der sich auf Aussagen von Menschenrechtsaktivist*innen, Betroffenen von Polizeigewalt und Videobeweise stützt, zeigt die umfassenden Menschenrechtsverletzungen der Behörden im Kontext der Proteste. Dazu gehören die unrechtmässige Anwendung von Gewalt, Folter und anderen Formen der Misshandlung, sowie die gezielte Verfolgung von Journalist*innen. Der Befund von Amnesty International deutet darauf hin, dass die Behörden Repressalien anwenden, um Regierungsgegner*innen zum Schweigen zu bringen.

Nachdem die Proteste am 29. November weitgehend friedlich begonnen hatten, spitzte sich die gewaltsame Repression der Proteste täglich zu, was die Demonstrant*innen dennoch nicht davon abhielt weiterhin auf die Strasse zu gehen. Mehr als 460 Menschen wurden bisher festgenommen, rund 300 berichteten von schweren Schlägen und anderen Misshandlungen.

«Dieser Kreislauf der Ungerechtigkeit wird von den Gerichten aufrechterhalten, welche härteste Geld- und Freiheitsstrafen verhängt haben.»
Deprose Muchena, Senior Director bei Amnesty International.

Ein Grossteil des brutalen Vorgehens der georgischen Polizei gegen die Proteste, ist dank der wertvollen Arbeit von Journalist*innen für die ganze Welt sichtbar geworden. Weitaus brutaler – und weniger sichtbar – sind jedoch die Übergriffe, die im Verborgenen stattfinden: Durch die weit verbreitete Folter und andere Misshandlungen in Gewahrsam erlitten Demonstrant*innen Knochenbrüche, Frakturen und Gehirnerschütterungen. Die Behörden setzen auch weiterhin auf Verhaftungen und nehmen Menschen von der Strasse oder aus ihren Wohnungen einzeln fest», sagte Deprose Muchena, Senior Director bei Amnesty International.

«Dieser Kreislauf der Ungerechtigkeit wird von den Gerichten aufrechterhalten, welche gegen mehr als hundert willkürlich festgenommene Demonstrant*innen härteste Geld- und Freiheitsstrafen verhängt haben. Die Straflosigkeit für Polizeigewalt muss ein Ende haben, und diejenigen, die willkürlich festgenommen wurden, weil sie friedlich protestiert haben, müssen sofort freigelassen werden.»

Auf die Proteste wurde wiederholt mit Gewalt reagiert, es kamen Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer zum Einsatz, die angeblich mit chemischen Reizstoffen versetzt waren. Das harte Vorgehen der Behörden verschärfte die Spannungen, und es kam vereinzelt zu Gewalttaten, die auf die eskalierende Taktik der Polizei zurückzuführen waren. Mehr als 100 Demonstrant*innen erlitten schwere Verletzungen, darunter Knochenbrüche und Gehirnerschütterungen. Journalist*innen wurden besonders ins Visier genommen, mehr als 50 Medienmitarbeiter*innen wurden verletzt.

«Jetzt geht der Spass erst richtig los» – Schwere Verletzungen durch Polizeigewalt

Amnesty International dokumentiert zahlreiche Fälle von Folter und anderen Misshandlungen, welche die organisierte und systematische Natur dieser Übergriffe verdeutlichen, einschliesslich erzwungener Geständnisse und der Verweigerung rechtzeitiger medizinischer Versorgung.

«Jede Person, die auf die Polizeiwache gebracht wurde, war blutüberströmt. Etwa sieben oder acht Personen befanden sich in einem katastrophalen Zustand - einer hatte einen gebrochenen Arm, und sein Gesicht war so geschwollen, dass er seine Augen nicht öffnen konnte ... Die Polizei händigte uns vorgefertigte Protokolle aus und sagte uns, dass die Dinge 'kompliziert' werden würden, wenn wir nicht unterschreiben würden», sagte Gela Megrelidze, eine am 1. Dezember festgenommene Fotografin, gegenüber Amnesty International.

Lazare Maglakelidze, am 2. Dezember festgenommen, erlitt eine gebrochene Nase, eine Gehirnerschütterung und schwere Kopfverletzungen, nachdem er angeblich von mehreren Polizist*innen in Haft geschlagen worden war. Er erklärte Amnesty International: «[Die Polizei] hat diese Vans, die von innen leergeräumt und abgedunkelt sind und zur Folter von Demonstrant*innen verwendet werden. Etwa 50-100 Polizist*innen nahmen daran teil. Sie riefen: ‚Jetzt fängt der Spass an‘, als sie uns in den Van brachten. Jede Person, die vorbeikam, fühlte sich frei, uns anzugreifen, zu schlagen und auf jede erdenkliche Weise zu erniedrigen.»

Ein besonders erschütternder Fall ist der von Davit Abuladze, einem gehörlosen Demonstranten, der am 3. Dezember von der Polizei verhaftet wurde. Er wurde nicht bei der Massendemonstration selbst festgenommen, sondern danach, als er sich etwas zu essen holte und sich in einiger Entfernung von den Protesten aufhielt. Berichten zufolge wurde er auf der Strasse und in einem Polizeiauto geschlagen, bevor er mehrere Stunden lang ohne Zugang zu medizinischer Versorgung und Verdolmetschung festgehalten wurde. Davit musste mit schweren Verletzungen, darunter ein Schädeltrauma und eine Gehirnerschütterung, ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Maskierte und bewaffnete Personen mit Draht zur Polizei

Seit dem 4. Dezember wurden die Einschüchterungen und die Gewalt gegen die Demonstrant*innen nicht nur von der Polizei, sondern auch von nicht identifizierten, maskierten und bewaffneten Personen ausgeübt. Diese Männer, die angeblich mit den Behörden in Verbindung stehen, haben Demonstrant*innen und Journalist*innen eingeschüchtert und angegriffen, wobei die Polizei in mehreren Fällen offensichtlich mitgewirkt hat.

Trotz Hunderten von Berichten über Polizeibrutalität wurden bisher weder Polizeibeamt*innen noch Mitglieder einer bewaffneten maskierten Gruppe identifiziert oder zur Rechenschaft gezogen. Gerichte geben routinemässig polizeilichen Aussagen den Vorzug vor Videobeweisen und Zeug*innenaussagen, was das Recht auf ein faires Verfahren untergräbt, und die staatliche Straflosigkeit aufrechterhält.

Amnesty International fordert die georgischen Behörden auf, die Razzien zu beenden, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und das Recht auf friedlichen Protest sicherzustellen. Die internationale Gemeinschaft muss solidarisch handeln, um zu garantieren, dass die Regierung ihre Menschenrechtsverpflichtungen einhält.