Eine der beiden am 20. Oktober ausgeschafften Flüchtlingsfamilien und drei andere syrische Flüchtlinge im Düziçi Camp in der Türkei.  © private
Eine der beiden am 20. Oktober ausgeschafften Flüchtlingsfamilien und drei andere syrische Flüchtlinge im Düziçi Camp in der Türkei. © private

Griechenland «Sie haben uns angelogen»: Illegale Rückschiebungen

1. November 2016
Griechenland hat mindestens 8 syrische Flüchtlinge in die Türkei ausgeschafft – ohne deren Wunsch auf Asyl zu berücksichtigen. Dieser unverantwortliche Schritt bricht internationales Recht und gefährdet die Betroffenen.

Die syrischen Flüchtlinge – vier Kinder im Alter zwischen einem und sechs Jahren und ihre Eltern – wurden am 20. Oktober aus Griechenland ausgeschafft, obwohl sie einen Asylantrag stellen wollten. Man habe ihnen gesagt, dass sie nach Athen gebracht würden, berichteten die Flüchtlinge gegenüber Amnesty International. Stattdessen wurden sie in Begleitung von Beamten der europäischen Grenzagentur Frontex nach Adana in die Türkei geflogen.

«Die griechischen Behörden und die EU haben immer wieder betont, dass die Asylanträge aller syrischen Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, korrekt geprüft würden. Doch was wir hier gesehen haben, lässt etwas anderes vermuten», sagt John Dalhuisen, Europa-Direktor von Amnesty International.

Amnesty sprach mit zwei Mitgliedern dieser Flüchtlingsgruppe und konnte offizielle Dokumente einsehen, die die Absicht, Asyl zu beantragen, belegen: Die acht Betroffenen hatten am 14. und 15. Oktober im Empfangszentrum Leros formell bekräftig, Asylanträge stellen zu wollen. Dies wurde aber komplett ignoriert, was gegen griechisches und internationales Recht verstösst.

Sie hätten nie vorgehabt, ihre Asylgesuche zurückzuziehen und in die Türkei, von wo aus sie als Bootsflüchtlinge nach Europa kamen, zurückzukehren. Die Flüchtlinge berichteten Amnesty, dass sie während ihres Aufenthalts im Polizeizentrum von Leros mit niemandem sprechen durften und auch keine Gelegenheit erhielten, sich an einen Anwalt des Uno-Hochkommissariats für Flüchtlinge UNHCR zu wenden. «Sie haben uns angelogen», sagte einer der Betroffenen gegenüber Amnesty. Ein anderer meinte: «Als ich am Flughafen die türkische Flagge sah, waren alle meine Träume zerstört.»

«Es ist bestenfalls Inkompetenz, was da passierte. Im schlimmsten Fall ist es der zynische Versuch einer Behörde, die unter grossem Druck der EU steht, syrische Flüchtlinge um jeden Preis aus dem Land zu schaffen», so Dalhuisen. «Dieser Fall muss unbedingt untersucht werden und die Flüchtlinge müssen nach Griechenland zurückkehren können. Für sie sollte eine Umsiedlung in ein anderes EU-Land in Betracht gezogen werden.»

Hintergrund

Nach Angaben des UNHCR kam am 9. Oktober eine Gruppe von 91 Personen aus verschiedenen Ländern (Syrien, Afghanistan und Irak) in einem Flüchtlingsboot auf der Insel Milos an. Am 14. Oktober wurde die Gruppe in ein Empfangs und Identifikationszentrum auf der Insel Leros verlegt, wo sie registriert wurden und den zuständigen Behörden die Absicht bekundeten, in Griechenland um Asyl zu ersuchen.

Am 19. Oktober wurden 13 Leute aus dem Camp, in welches sie gebracht worden waren, zur lokalen Polizeistation gebracht. Man habe ihnen erzählt, dass sie nach Athen transferiert würden. Am nächsten Morgen wurden sie auf die Insel Kos verlegt. Die Polizei habe ihnen Nahrung verweigert, obwohl es kleine Kinder und Babys darunter hatte. Die Flüchtlinge geben an, dass man ihnen nicht gesagt habe, dass sie in die Türkei statt nach Athen gebracht würden, bis sie den Flughafen Adana erreichten. Hier wurden sie weiterhin festgehalten.

Die griechischen Behörden verneinten, irgendwelche Fehler gemacht zu haben. Sie beharrten auf ihrer Darstellung, dass alle Betroffenen die Gelegenheit gehabt hätten, einen Asylantrag zu stellen. Sie heben hervor, dass drei Personen das Flugzeug nach Adana nicht bestiegen hätten, weil sie noch am Flughafen von Kos einen Asylantrag stellen konnten. Dies unter Aufsicht einer griechischen Ombudsperson.

Amnesty International verlangt von den griechischen Behörden eine Klärung dieses Falls.

Auch das UNHCR zeigt sich besorgt über die Rückschaffung von syrischen Flüchtlingen in die Türkei. Mehr dazu: http://www.unhcr.org/news/briefing/2016/10/5809e78d4/unhcr-concern-illegal-return-10-syrian-nationals-greece.html