Der Oberste Gerichtshof Grossbritanniens hat am 12. Februar zugunsten zweier Gemeinschaften des Niger-Deltas entschieden (Okpabi et al vs. Royal Dutch Shell et al). Die Kläger forderten Gerechtigkeit für Umweltschäden, die Shells Ölförderung in Nigeria verursacht wurden.
Das Gericht entschied, dass die Gemeinschaften Ogale und Bille gegen den Konzern Royal Dutch Shell plc (RDS) und seine nigerianische Tochterfirma, Shell Petroleum Development Company of Nigeria (SPDC) klagen und die Forderungen nach Sanierung und Entschädigungszahlungen vorbringen können.
Das Urteil stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar, um auch andere multinationale Unternehmen zur Verantwortung ziehen zu können, wie Mark Dummett, Direktor für Globale Anliegen bei Amnesty International, erklärt:
«Dieses wegweisende Urteil könnte das Ende einer langen Straflosigkeit von Shell und anderen multinationalen Unternehmen bedeuten, die im Ausland Menschenrechte verletzen. Shells eigene Berichte belegen das Ausmass der Ölverschmutzungen, die bis heute das Land der Ogale- und Bille- Gemeinschaften verwüsten, das Wasser vergiften und ihre Lebensgrundlage zerstören.»
«Bis jetzt hat Shell Reinigungsarbeiten oder Entschädigungszahlungen vermieden, mit dem Argument, sie seien nicht verantwortlich für die Tätigkeiten ihrer nigerianischen Tochterfirma- die Shell aber vollumfänglich gehört. Der Konzern macht gerne riesige Profite in Nigeria, behauptet aber, keinerlei Kenntnisse über die menschlichen Kosten seiner Tätigkeiten zu haben. Das heutige Urteil hat das Fundament eines auf Verantwortungslosigkeit basierenden Geschäftsmodells erschüttert».
«Der Kampf ist noch nicht gewonnen, aber das Urteil ist ein wichtiger Schritt Richtung Gerechtigkeit. Es zeugt von der Beharrlichkeit und dem Mut der Gemeinschaften Ogale und Bille. Sie haben sich geweigert, Shells Ausreden zu akzeptieren und jahrelang vor Gericht gegen Shell gekämpft. Der heutige Entscheid könnte den Zugang zur Justiz für all jene ebnen, die mit Verschmutzungen durch Shell zu kämpfen haben. Nach Jahrzehnten der Straflosigkeit könnten die Gemeinschaften des Niger-Deltas Shell endlich auf der Anklagebank sehen. »
Hintergrund
2015 haben 40'000 Menschen der im Niger-Delta lebenden Ogale- und Bille-Gemeinschaften in Grossbritannien wegen schweren Menschenrechtsverletzungen rechtliche Schritte gegen Shell eingeleitet. Im Jahr 2017 hielt der High Court in London fest, dass Royal Dutch Shell plc (RDS) lediglich eine Holdinggesellschaft sei, die keine Kontrolle über die Tätigkeiten ihrer nigerianischen Tochter hat, und daher nicht verantwortlich gemacht werden kann für deren Tätigkeiten. Im Jahr 2018 stellte das Berufungsgericht ebenfalls fest, dass die englischen Gerichte für die Klagen nicht zuständig seien, erlaubte aber den Gemeinschaften, beim Obersten Gerichtshof ein Berufungsantrag einzureichen.