Training russischer Einsatz-Polizei vor dem Krestovsky Stadion in Sankt Petersburg. © tony_gl / Shutterstock.com
Training russischer Einsatz-Polizei vor dem Krestovsky Stadion in Sankt Petersburg. © tony_gl / Shutterstock.com

Fussball-WM in Russland Menschenrechtsverteidiger in Gefahr

Medienmitteilung 7. Juni 2018, Bern/Moskau – Medienkontakt
Im Vorfeld der Fussball-WM in Russland ist Amnesty International besorgt über die Sicherheit von Menschenrechtsverteidigern, Umweltaktivistinnen und Journalisten im Gastgeberland. Kritik übt die Menschenrechtsorganisation auch am weitgehenden Verbot von Kundgebungen während des Grossanlasses.

Im Schatten des Scheinwerferlichts der Fussball-Weltmeisterschaft engagieren sich mutige Menschen für die Wahrung der Grundrechte, gegen Diskriminierung und Straflosigkeit, für den Umweltschutz und für weitere legitime gesellschaftspolitische Anliegen in Russland. Für ihr friedliches Engagement gehen sie grosse Risiken ein.

«Besonders perfide ist die Praxis der Regierung und regierungsnaher Medien, Aktivistinnen und Aktivisten als ‚Agenten des Westens‘ zu diffamieren. Durch diese fortwährende Verunglimpfung und teilweise gar Kriminalisierung der Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen, haben die Behörden erreicht, dass diese von einem grossen Teil der russischen Gesellschaft als ‚Feinde Russlands‘ betrachtet werden», sagt Lisa Salza, Kampagnenverantwortliche für Russland bei Amnesty Schweiz.

Kriminalisierung und Einschüchterung von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern

An allen elf Spielorten der WM leben Aktivistinnen und Aktivisten, die aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit Repressionen ausgesetzt sind. Amnesty International appelliert an Präsident Putin, den Handlungsspielraum dieser Menschen nicht weiter einzuschränken und nutzt die WM, um sich für besonders bedrohte Aktivisten einzusetzen.

An allen Spielorten der WM leben AktivistInnen, die Repressionen ausgesetzt sind.

Darunter ist Oyub Titiev, Leiter der Menschenrechtsorganisation Memorial in Tschetschenien, der  am 9. Januar 2018 wegen angeblichen Drogenbesitzes festgenommen wurde. Amnesty ist davon überzeugt, dass der Fund inszeniert wurde und dass die Behörden Oyub Titiev inhaftiert haben, um ihn zum Schweigen zu bringen. In Grosny, der Hauptstadt von Tschetschenien, findet zwar kein Spiel statt, da die ägyptische Nationalmannschaft dort ihr WM-Quartier eingerichtet hat, ist die kaukasische Teilrepublik dennoch Teil dieses Grossanlasses.

Oder Andrey Rudomakha, Leiter der Umweltorganisation Environmental Watch for the North Caucasus (EWNC), der am 28. Dezember 2017 vor seinem Büro spitalreif geschlagen wurde. Vieles weist darauf hin, dass der Angriff mit seinem Engagement als Umweltschützer zusammenhängt, da er Fälle von illegaler Abholzung und Bebauung dokumentiert hatte, in welche mutmasslich auch lokale PolitikerInnen involviert waren.

Weitere Details zu den Fällen Oyub Titiev und Andrey Rudomakha

Versammlungsfreiheit im Namen der WM eingeschränkt

Zuletzt liessen die Behörden anlässlich der Amtseinführung Präsident Putins am 5. Mai 2018 friedliche Kundgebungen in zahlreichen Städen gewaltsam auseinandertreiben. In Moskau haben Delegierte von Amnesty International gar beobachtet, wie Männer in Kosakenuniformen mit Peitschen auf friedlich Demonstrierende einschlugen. Präsident Putin hat angekündigt, die «Kosakenmiliz» auch während der WM einzusetzen.

FIFA in der Pflicht

Nebst der russischen Regierung, steht auch der organisierende Sportverband FIFA in der Pflicht, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten und namentlich mit der WM, zu verhindern und geeignete Massnahmen zu treffen, um die Grundrechte der lokalen Bevölkerung zu schützen. Die FIFA hat im Mai 2017 eine Menschenrechtspolitik veröffentlicht und vor kurzem Stellung dazu bezogen, wie sie MenschenrechtsverteidigerInnen und Medienschaffende in Russland schützen will. Als zentrales Instrument hat sie einen Beschwerdemechanismus lanciert, über den bedrohte MenschenrechtsverteidigerInnen und Medienschaffende an die FIFA gelangen und um Unterstützung und Schutz ersuchen können. Amnesty International begrüsst diese Instrumente, welche bei gewissenhafter Umsetzung tatsächlich dazu beitragen können, bedrohte Menschen besser zu schützen.

«Die WM in Russland ist der Härtetest für die Menschenrechtsversprechen der FIFA.»
Lisa Salza, Kampagnenverantwortliche für Russland bei Amnesty Schweiz.

«Die WM in Russland ist der Härtetest für die Menschenrechtsversprechen der FIFA. Wir erwarten vom Weltfussballverband, dass er nicht davor zurückscheut, seinen Einfluss und all die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um Menschenrechte und die Pressefreiheit zu schützen, und die russische Regierung an ihre Verpflichtungen in diesem Bereich zu erinnern», sagt Lisa Salza.