Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Strassburg © Amnesty International
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Strassburg © Amnesty International

EGMR-Urteil gegen die Schweiz Behörden müssen Risiken einer Verfolgung besser abklären

Medienmitteilung 30. Mai 2017, Bern Medienkontakt
Amnesty Schweiz begrüsst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR, der die Schweiz im Fall eines Sudanesen wegen Missachtung des Folterverbots verurteilt hat. Der Asylbewerber wäre im Fall einer Ausweisung an Leib und Leben bedroht.

«Dass das Gericht die Wegweisung des Sudanesen rügt, entspricht voll und ganz der Einschätzung von Amnesty International. Denn dieser Mann war über Jahre hinweg politisch aktiv. Er verfasste Radiobeiträge, schrieb Artikel, nahm an Demonstrationen teil und an Treffen bei der Uno. Zwar hatte er keine führende Stellung innerhalb der Opposition, aber er war schon im Heimatland und nachher auch in der Schweiz konstant politisch tätig», sagt Denise Graf, Asylkoordinatorin bei der Schweizer Sektion von Amnesty International.

«Die sudanesischen Behörden überwachen die Opposition auch im Ausland sehr genau. Das Risiko ist gross, dass er bei der Rückkehr in den Sudan festgenommen und gefoltert wird.» Denise Graf

«Die sudanesischen Behörden überwachen die Opposition auch im Ausland sehr genau. Das Risiko ist gross, dass er bei der Rückkehr in den Sudan festgenommen und gefoltert wird.»

Im Fall eines weiteren Sudanesen, dessen Ausweisung der EGMR ebenfalls beurteilte, wurde zugunsten der Schweiz entschieden. Hier seien keine Menschenrechte verletzt worden. Amnesty International bedauert, dass keine medizinische oder psychologische Abklärung gemacht wurde. «Der Mann macht geltend, dass er vor seiner Ausreise aus dem Sudan während einer 45 Tage dauernden Haft gefoltert worden war. Wenn er in der Vergangenheit bereits festgenommen wurde, dann kann das auch Einfluss auf seine Situation bei der Rückkehr haben, weil er dort bereits als potentieller Gegner der Regierung registriert ist», sagt Denise Graf.

Entscheide neu überprüfen

Amnesty International kritisiert, dass die Schweizer Behörden oftmals die Risiken einer Verfolgung zu wenig gründlich abklären. Das betreffe neben dem Sudan auch Länder wie die Türkei oder Sri Lanka, wo politischen Aktivistinnen und Aktivisten bei der Rückkehr Haft oder Folter drohen können.

«Die Schweiz muss jetzt bereits erfolgte Entscheide neu überprüfen, um zu verhindern, dass sich Festnahmen wie im Fall der beiden Tamilen wiederholen», sagt Denise Graf. Diese waren nach ihrer Wegweisung aus der Schweiz gleich bei der Ankunft in Colombo verhaftet worden.