In den letzten Jahren kam es zu Schliessungen zahlreicher Stand- und Durchgangsplätze in der Schweiz. Diese wurden mehrheitlich nicht ersetzt. Mit der Besetzung der Kleinen Allmend in Bern im April 2014 durch VertreterInnen der Bewegung Schweizer Reisender kam dieser Problematik endlich auch die notwendige politische Bedeutung zu und es konnten zwischenzeitlich einige Provisorien geschaffen werden. Von diesen können aber vor allem Schweizer Fahrende profitieren und sie stehen ausländischen Fahrenden oft nicht zur Verfügung.
«Die Situation ist sowohl für die Schweizer Fahrenden und noch viel mehr für die ausländischen Fahrenden prekär und für die Betroffenen mehr als unbefriedigend», sagt Denise Graf, Juristin bei Amnesty International Schweiz.
Problem auf die lange Bank geschoben
Es sind zwar Bemühungen im Gang, in der kantonalen Raumplanung definitive Stand- und Durchgangsplätze zu schaffen, doch die Resultate dieser Bemühungen lassen auf sich warten. Bislang gibt es keine offiziellen Plätze im Kanton Bern für ausländische Fahrende. Sie sehen sich deshalb dazu gezwungen, sich auf privaten Grundstücken niederzulassen. Dies führt bei der Bevölkerung oft zu Ablehnung und Ressentiments gegenüber Roma, Sinti und Jenischen.
Solange die Berner Behörden ihre Aufgaben nicht gemacht haben, können sie nicht polizeilich gegen die ausländischen Fahrenden vorgehen, die sich auf privaten Grundstücken niederlassen. Bei einer polizeilichen Wegweisung muss die Polizei den Fahrenden die Adresse eines offiziellen Ortes geben können, wo sie Durchgangsplätze finden können. Ein Verweis auf einen ausserkantonalen Durchgangsplatz wäre nicht korrekt, denn es ist nicht an den anderen Kantonen, Plätze für Fahrende zur Verfügung zu stellen, die im Kanton Bern keinerlei reguläre Transitplätze finden können.
«Die von einer Mehrheit des Grossen Rates vertretene Haltung fördert den Antiziganismus und ist einer friedlichen Lösung des Problems nicht förderlich, das Jahrzehntelang auf die lange Bank geschoben wurde», sagt Denise Graf.
Hintergrund
Im Zusammenhang mit dem Europäischen Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten wird die Gruppe der «Fahrenden» in der Schweiz seit 1998 offiziell als nationale Minderheit anerkannt.
Diese Bezeichnung wird jedoch der Realität der betroffenen Minderheiten nicht gerecht, da es sich um eine Vermischung von Lebensweise und ethnischer Zugehörigkeit handelt. In der Schweiz leben 35‘000 Jenische, davon sind 3000-5000 «Fahrende». Dazu kommen einige hundert Sinti mit meist fahrender Lebensweise. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass rund 80‘000 Roma in der Schweiz leben. Sie sind in der Schweiz gut integriert. Roma haben eine eigene Kultur und Sprache. Unter ihnen gibt es kaum Fahrende. Fahrende Roma kommen vor allem aus dem nahen Ausland, sie sind aber eine kleine Minderheit der Roma.