Mit der neuen Anti-Terrorismus-Gesetzgebung soll eine Person einzig aufgrund der vagen Annahme, dass sie – in der Zukunft – eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen könnte, mit einschneidenden Massnahmen belegt werden können, die ihre Bewegungs-, Meinungsäusserungs- und Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht auf Arbeit einschränken würden. Die Polizei könnte einschneidende Massnahmen wie Hausarrest, Reiseverbote und elektronische Überwachung anordnen – mit wenig bis gar keinem Schutz vor Missbrauch.
«Wenn die Polizei glaubt, dass eine Person eine Bedrohung darstellt, soll sie gegen den Verdächtigen ermitteln und ihn im Rahmen eines fairen gerichtlichen Verfahrens anklagen und strafrechtlich verfolgen. So funktioniert das Strafrecht», sagte Julia Hall, Expertin von Amnesty International für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte in Europa.
«Wenn man den Behörden die Macht gibt, die Freiheiten einer Person drastisch einzuschränken, nicht aufgrund dessen, was sie getan hat, sondern aufgrund dessen, was sie in Zukunft tun könnte, öffnet man dem Missbrauch Tür und Tor.» Julia Hall, Expertin von Amnesty International für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte in Europa.
«Wenn man den Behörden die Macht gibt, die Freiheiten einer Person drastisch einzuschränken, nicht aufgrund dessen, was sie getan hat, sondern aufgrund dessen, was sie in Zukunft tun könnte, öffnet man dem Missbrauch Tür und Tor. Die Massnahmen, die teils bereits für Kinder im Alter von 12 Jahren gelten, beinhalten keine angemessenen Schutzmechanismen, was zu willkürlicher und diskriminierender Anwendung führen könnte.»
Massnahmen aufgrund von Vermutungen
Das vorgeschlagene Bundesgesetz über die polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (PMT) sieht namentlichen einen präventiven Hausarrest vor, der nach dem letzten Stand des Gesetzesprojekts sogar auf unbestimmte Zeit verlängert werden könnte. Der präventive Hausarrest soll für Minderjährige ab 15 Jahren gelten, alle anderen Massnahmen für Kinder ab 12 Jahren.
Das Bundesamt für Polizei fedpol könnte Massnahmen gegen potentiell Verdächtige gemäss dem neuen Gesetz weitgehend nach freiem Ermessen anordnen. In den meisten Fällen bräuchte die Behörde keine vorherige richterliche Genehmigung, sondern könnte den Entscheid lediglich auf vage Vermutungen stützen, die darauf hindeuten, dass eine Person zu einem späteren Zeitpunkt eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen könnte. Diese Schwelle ist viel zu tief. Sie garantiert keine Rechtssicherheit und sie birgt die Gefahr missbräuchlicher Anwendung.
Ein solcher Ermessensspielraum in Verbindung mit dem beinahe gänzlichen Fehlen prozessualer Garantien wie des Rechts auf eine kontradiktorische Anhörung vor einem Gericht, die das Bestreiten der Verdachtsmomente ermöglichen und den für eine wirksame Anfechtung der Massnahme erforderlichen Zugang zu den notwendigen Dokumenten gewährleisten würde, benachteiligen eine betroffene Person klar. Die Gesetzesvorlage setzt sich über den Grundsatz der «Waffengleichheit» für den Verdächtigten hinweg.
«Gemäss den internationalen Menschenrechtsnormen sind die Staaten verpflichtet, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um ihre Bürgerinnen und Bürger vor Angriffen gegen die Zivilbevölkerung zu schützen und die Sicherheit und den Schutz der Menschen in ihren Hoheitsgebieten zu gewährleisten. Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung müssen jedoch immer Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte respektieren», sagte Patrick Walder, Kampagnenkoordinator der Schweizer Sektion von Amnesty International.
«Die Rolle des Staates besteht darin, den Menschen Sicherheit zu bieten, damit sie ihre Rechte geniessen können, und nicht darin, die Rechte der Menschen im Namen der Sicherheit einzuschränken». Patrick Walder, Kampagnenkoordinator der Schweizer Sektion von Amnesty International.
«Die Bedrohung, die von terroristischen Anschlägen ausgeht ist real und muss entschieden bekämpft werden. Die Rolle des Staates besteht jedoch darin, den Menschen Sicherheit zu bieten, damit sie ihre Rechte geniessen können, und nicht darin, die Rechte der Menschen im Namen der Sicherheit einzuschränken».
«Menschen ihrer Freiheit zu berauben und sie in ihren Häusern einzusperren, ohne Möglichkeit eine solche Anordnung in einem fairen Verfahren anzufechten, verstösst eklatant gegen die Menschenrechtsverpflichtungen der Schweiz. Unter solchen Umständen sollte Kindern niemals ihre Freiheit entzogen werden. Das Parlament muss davon absehen, der Polizei diese weitreichenden Befugnisse zu erteilen.»
Hintergrund
Amnesty international hat zusammen mit der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz, einem Zusammenschluss von über 80 Nichtregierungsorganisationen, die vom Bundesrat präsentierten Gesetzesentwürfe scharf kritisiert.
Zur detaillierten Stellungnahme zu den Bundesgesetzen zur Terrorismusbekämpfung.