Das muss aufhören: Den Konzernen werden wir bei ihren Geschäften im globalen Süden weiterhin genau auf die Finger schauen und Menschenrechtsverletzungen aufdecken. © Kadir van Lohuizen / Noor / Keystone
Das muss aufhören: Den Konzernen werden wir bei ihren Geschäften im globalen Süden weiterhin genau auf die Finger schauen und Menschenrechtsverletzungen aufdecken. © Kadir van Lohuizen / Noor / Keystone

Mehrheit sagt JA - doch Konzernverantwortungsinitiative scheitert am Ständemehr «Wir nehmen die Konzerne beim Wort»

Medienmitteilung 29. November 2020, Bern – Medienkontakt
Eine Mehrheit von 50,7 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten hat sich am 29. November für die Konzernverantwortungsinitiative ausgesprochen. Sie ist jedoch am Ständemehr gescheitert. Das NEIN ist eine verpasste Chance für die Schweiz.

Die Beteuerungen der Konzerne, sie würden sich an die Menschenrechte und Umweltstandards halten, haben in einer Mehrheit der Kantone verfangen. Nun müssen sie beweisen, dass sie es ernst meinen.

Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz, kommentiert das Resultat wie folgt:

«Die Gegnerschaft der Initiative hat beteuert, dass Schweizer Konzerne Menschenrechte und Umweltstandards schon heute meist vorbildlich einhalten würden. Wir werden sie beim Wort nehmen.» Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz

«Die Schweiz hat heute eine Chance verpasst, den zahlreichen international tätigen Grosskonzernen im Land griffige Regeln zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt aufzuerlegen. Das Volksmehr ist jedoch ein historischer Erfolg. Es ist ein klarer Aufruf der Mehrheit der Stimmberechtigten an Bundesrat und Parlament: Menschenrechtsverletzungen durch Schweizer Konzerne im Ausland dürfen nicht länger geduldet werden!»

«Die Gegnerschaft der Initiative hat im Abstimmungskampf beteuert, dass Schweizer Konzerne Menschenrechte und Umweltstandards schon heute meist vorbildlich einhalten würden. Wir werden sie beim Wort nehmen. Amnesty International und die breite Koalition werden Konzernen bei ihren Geschäften im globalen Süden weiterhin genau auf die Finger schauen und Menschenrechtsverletzungen aufdecken und öffentlich machen, wo immer sie geschehen.»

«Unser Anliegen bleibt aktuell und wird heute von einer zivilgesellschaftlichen Bewegung im ganzen Land getragen.»

«Wir haben zwar knapp an der Urne verloren, aber dennoch Erfolge erzielt. Wir haben es mit einer breiten Koalition und dem Engagement von Zehntausenden von Unterstützerinnen und Unterstützern geschafft, die Forderung nach mehr Konzernverantwortung ganz oben auf die politische Agenda der Schweiz zu setzen. Unser Anliegen bleibt aktuell und wird heute von einer zivilgesellschaftlichen Bewegung im ganzen Land getragen.»

Dick Marty, Co-Präsident des Initiativkomitees und Tessiner alt Ständerat der FDP sagte:

«Das Engagement der Bürger/innen und das Volksmehr macht mir grossen Mut. Ich werde mich weiterhin für mehr Gerechtigkeit einsetzen.» Dick Marty, Tessiner alt Ständerat der FDP, Co-Präsident des Initiativkomitees

«Heute möchte ich vor allem den Freiwilligen danken. Die Kampagne hat gezeigt, dass Zehntausende von Bürgerinnen und Bürgern zusammen viel erreichen können – auch wenn wir heute anerkennen müssen, dass die Konzernlobby mit ihren Falschmeldungen gewonnen hat. Das Engagement der Bürger/innen und das Volksmehr macht mir grossen Mut. Ich werde mich weiterhin für mehr Gerechtigkeit einsetzen.»

Und Monika Roth, Co-Präsidentin des Initiativkomitees, Rechtsprofessorin und Compliance-Spezialistin, kommentierte: «Ich bin überzeugt, dass die Selbstverpflichtung ohne wirksame Kontrolle und Haftung nicht ausreichend sind, damit alle Konzerne internationale Umweltstandards und die Menschenrechte respektieren. Der indirekte Gegenvorschlag wird deshalb keine Verbesserungen bringen. Klar ist, dass die starke Koalition für mehr Konzernverantwortung sich weiterhin dafür einsetzen wird, dass sich künftig alle an ein Mindestmass an Verantwortung halten werden.»

«Ich bin überzeugt, dass die Selbstverpflichtung ohne wirksame Kontrolle und Haftung nicht ausreichend sind, damit alle Konzerne internationale Umweltstandards und die Menschenrechte respektieren.» Monika Roth, Rechtsprofessorin und Compliance-Spezialistin, Co-Präsidentin des Initiativkomitees

Hintergrund

Amnesty International gehört zu den Erstinitiantinnen der Konzernverantwortungsinitiative und hat sich zusammen mit ihren Aktivistinnen und Aktivisten in der Schweiz unermüdlich für das Anliegen eingesetzt. Die Menschenrechtsorganisation engagiert sich auch international seit mehr als zwei Jahrzehnten dafür, dass Unternehmen die Menschenrechte respektieren und für Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden.

Heute haben internationale Konzerne dank der Globalisierung mehr Macht und Einfluss als je zuvor. Millionen von Menschen haben Arbeit gefunden und Gewinne erzielt. Wenn die Tätigkeit der Konzerne jedoch Menschenrechte verletzt und die Umwelt zerstört , gibt es selten effiziente Mittel, um sie zur Rechenschaft zu ziehen und die Opfer zu entschädigen.

Mehrere Länder haben in letzter Zeit Konzerne deshalb stärker in die Pflicht genommen. Frankreich hat bereits ein ähnliches Gesetz eingeführt, wie es die Konzernverantwortungsinitiative fordert. Auch im Vereinigten Königreich (UK), Kanada oder den Niederlanden können Geschädigte heute schon vor Gericht Wiedergutmachung verlangen. Auch auf EU-Ebene sind neue Regeln geplant.