Ethnic Profiling verstösst gegen internationale und europäische Menschenrechtsverträge, welche Diskriminierung und Ungleichbehandlung verbieten. Anhaltungen, Identitätskontrollen oder Durchsuchungen durch die Polizei dürfen nicht durchgeführt werden, wenn es keine objektiven und individuellen Anhaltspunkte gibt, die zu einem begründeten Verdacht führen.
Aus dem Diskriminierungsverbot ergibt sich für die Staaten insbesondere auch die Pflicht, Ethnic Profiling durch ihre Polizeiorgane aktiv zu verhindern und bei Vorwürfen des Ethnic Profiling rasche, unabhängige und wirksame Untersuchungen oder Ermittlungen durchzuführen. Gerade in diesen Bereichen weist Amnesty International auf gravierende Versäumnisse der Schweiz hin: Obgleich der Fall Wa Baile nur die Spitze des Eisbergs darstellen dürfte, wird das Problem des Ethnic Profiling von den Führungsorganen der Polizei und der Regierung nur unzureichend wahrgenommen und bekämpft. So hat die Schweiz die einschlägigen Empfehlungen internationaler Menschenrechtsgremien zur Verhinderung von Ethnic Profiling nach wie vor nicht umgesetzt. Dies betrifft namentlich:
- die Überarbeitung einschlägiger Gesetze, um sicherzustellen, dass Personenkontrollen und Strafverfolgungsmassnahmen nur bei begründetem Tatverdacht erlaubt und die Anwendung ethnischer Kriterien verboten sind
- die Erhebung von Statistiken und die Sammlung aufgeschlüsselter Daten zu Ethnic Profiling
- das Bereitstellen eines wirksamen Schutzes und effektiver Rechtsmittel gegen Ethnic Profiling
- die Schulung von Polizeibeamt*innen spezifisch zu Ethnic Profiling und zu den Kriterien für rechtmässige Personenkontrollen
Hintergrund: Mohamed Wa Bailes Weg durch die Gerichtsinstanzen
Mohamed Wa Baile hatte sich im Februar 2015 im Rahmen einer polizeilichen Personenkontrolle am Zürcher Hauptbahnhof geweigert, sich auszuweisen. Er hatte die Polizisten vorgängig gefragt, ob eine Schwarze Person gesucht werde und die Kontrolle, nachdem dies verneint worden war, als rassistisch empfunden. Er wurde daraufhin wegen Nichtanordnung polizeilicher Anordnungen gebüsst. Am 7. März 2018 bestätigte das Bundesgericht die Verurteilung von Mohamed Wa Baile durch das Zürcher Obergericht. Dagegen erhob er Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Im Rahmen dieses immer noch hängigen Verfahrens interveniert nun Amnesty International – wie dies Art. 36 der Europäische Menschenrechtskonvention explizit vorsieht - als «Drittpartei».
Parallel zum strafrechtlichen Verfahren hat Wa Baile ein verwaltungsrechtliches Feststellungsbegehren eingereicht. Das Zürcher Verwaltungsgericht entschied am 1. Oktober 2020, dass die Kontrolle Wa Bailes am Hauptbahnhof Zürich rechtswidrig war. Offen liessen die Richter*innen hingegen, ob es sich dabei auch um eine Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe gehandelt hat.
Mehr Informationen zum Fall in einem Interview von Amnesty International mit Mohamed Wa Baile und im Falldossier von humanrights.ch.