Der Kinderrechtsausschuss der UNO rügt die Schweiz wegen der Ausweisung eines palästinensischen Kindes nach Bulgarien. In der September Session stellte der Uno-Kinderrechtsausschuss fest, dass die Schweiz im Fall M.K.A.H. v. Switzerland, Mitteilung Nr. 95/2019, zehn verschiedene Bestimmungen des Übereinkommens über die Rechte des Kindes verletzt hatte. Der Ausschuss verlangte von der Schweiz, den Asylantrag des Beschwerdeführers erneut zu prüfen.
Der heute 14-jährige Knabe stammt aus dem Flüchtlingslager Yarmouk in Syrien. Er erlebte die ganze Brutalität eines Bürgerkriegs, als verschiedene Kriegsparteien sein Dorf belagerten und dabei seinen Vater sowie mehrere nahe Verwandte töteten. Er flüchtete mit seiner Mutter auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort ins Ausland. Sie reisten über Bulgarien in die Schweiz wo bereits Familienangehörige leben. In Bulgarien wurde er Opfer von rassistischen Beschimpfungen und körperlicher Gewalt. Der Knabe erhielt den subsidiären Schutzstatus, lebte aber fast ein Jahr lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in verschiedenen Lagern ohne Zugang zu Schulbildung oder medizinischer Versorgung. Dann kam er in die Schweiz und beantragte Asyl. Die Schweiz wies ihn nach Bulgarien zurück, mit der Begründung, dass es sich dabei um einen «sicheren Drittstaat» handle.
Uno gibt dem Beschwerdeführer Recht
IN SEINEM URTEIL STELLTE DER KINDERRECHTSAUSSCHUSS FEST, DASS DIE SCHWEIZER BEHÖRDEN GEGEN ZEHN BESTIMMUNGEN DER KINDERRECHTSKONVENTION VERSTOSSEN HATTEN.
Der Ausschuss merkte zudem an, dass die Schweizer Behörden es versäumt hatten, eine echte Analyse der Situation in Bulgarien durchzuführen. Zudem seien die vorhersehbaren Folgen der Ausweisung des Beschwerdeführers und seiner Mutter zu wenig berücksichtigt worden. Die Schweizer Behörden hätten sich ausschliesslich auf die rechtliche Vermutung gestützt, dass Bulgarien ein «sicherer Drittstaat» sei und gegenteilige Beweise nicht geprüft.
Der Ausschuss befand, dass die Schweizer Behörden die besonders schutzbedürftigen Umstände des Kindes ausser Acht gelassen und nicht die erforderlichen Massnahmen ergriffenhatten, um eine individuelle Bewertung der Risiken vorzunehmen, denen das Kind in Bulgarien tatsächlich ausgesetzt gewesen wäre. Insbesondere wäre die Frage zu klären gewesen, ob der Beschwerdeführer Zugang zu der für seine physische und psychische Rehabilitation erforderlichen medizinischen Versorgung gehabt hätte, wie dies Art. 39 der Kinderrechtskonvention fordert. Ausserdem hätten die Schweizer Behörden das Wohl des Kindes bei der Entscheidungsfindung nicht vorrangig berücksichtigt und es versäumt, den Jungen im Asylverfahren anzuhören. Der Ausschuss stellte zudem fest, dass das Wohlergehen der Mutter nicht vom Wohlergehen des Kindes getrennt werden kann.
Fundamentale Rechte wurden verletzt
Weiter stellte der Ausschuss fest, dass die Ausweisung des Kindes unter anderem gegen das Verbot von Folter und Misshandlung (Art. 37) verstossen und eine Verletzung des Rechts des Kindes auf Achtung des Familien- und Privatlebens (Art. 16) darstellen würde. Aus diesem Grund forderte der Ausschuss die Schweiz auf, den Asylantrag des Kindes erneut zu prüfen.
Abgesehen vom erwähnten Entscheid sieht das Kinderrechtskomitee auch in anderen Bereichen Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung der Kinderrechtskonvention in der Schweiz. So kritisiert das Komitee in seinen Empfehlungen unter anderem eine fehlende Strategie zur Umsetzung der Kinderrechte, Schwächen bei der Gewaltprävention sowie den mangelhaften Zugang von geflüchteten Kindern zu regulären Bildungsangeboten, Unterbringungsstandards und Betreuungsangeboten.