© Amnesty Schweiz
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Schweiz: Demonstrationsfreiheit Dreissig Persönlichkeiten lancieren einen nationalen Appell

Medienmitteilung 12. Dezember 2023, Bern – Medienkontakt
Die jüngsten generellen Demonstrationsverbote in Deutschschweizer Städten und die SVP-Initiative «Durchsetzung von Recht und Ordnung» zeigen: Das Demonstrationsrecht in der Schweiz wird in Frage gestellt, sei es durch politische Vorstösse oder durch unangemessene Praktiken der Behörden. Rund 30 Persönlichkeiten, darunter die Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz, rufen dazu auf, die Ausübung dieses Grundrechts in unserem Land besser zu gewährleisten.

Der heute veröffentlichte «Appell für die Demonstrationsfreiheit», der von Persönlichkeiten aus Politik und Zivilgesellschaft sowie von Rechtsprofessor*innen unterstützt wird, soll an die Bedeutung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in unserer Demokratie und an die Notwendigkeit erinnern, diese ohne unverhältnismässige Einschränkungen zu gewährleisten.

«Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, das wir schützen und bewahren müssen. Dies gilt auch dann, wenn wir manche Meinungen nicht teilen, solange diese nicht diskriminierend oder hasserfüllt sind», erinnert Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz.

«Man muss Demonstrationen weder lieben, noch muss man an ihnen teilnehmen. Was man aber muss, ist erkennen, dass sie für einen lebendigen, demokratischen Rechtsstaat elementar sind», sagt Markus Müller, Professor für öffentliches Recht an der Universität Bern.

«Demonstrationen sind auch ein Sprachrohr für Menschen ohne Stimmrecht, für Secondas und Jugendliche. Wir sollten diesen Stimmen zuhören, nicht sie einschränken», ergänzt Sanija Ameti, Co-Präsidentin von Operation Libero.

«Friedliche Demonstrationen auch in Zeiten von Kriegen, Bürgerkriegen, Klimawandel, Migration: Politik, Sicherheitsorgane, aber auch Protestierende und Konfliktparteien müssen sie ermöglichen», verlangt Ulrich Gut, Präsident von Unser Recht.

Doch wie Amnesty in zahlreichen Stellungnahmen aufgezeigt hat, wird die Demonstrationsfreiheit in der Schweiz immer wieder unverhältnismässig eingeschränkt. Zürich, Basel und Bern haben im Zusammenhang mit der Krise im Nahen Osten generelle Demonstrationsverbote ausgesprochen. Die SVP-Initiative «Durchsetzung von Recht und Ordnung» im Kanton Zürich sieht Bestimmungen vor wie die Überwälzung der Kosten für Polizeieinsätze auf die Organisator*innen von Demonstrationen.

Die Auflösung friedlicher Demonstrationen mit der Begründung, sie seien nicht bewilligt worden, der unangemessene Einsatz von Waffen mit geringer Letalität (insbesondere Gummigeschosse) und eine Rechtsprechung, die den Rechten friedlicher Demonstrant*innen, auch in Fällen von zivilem Ungehorsam, abgeneigt ist, sind weitere problematische Einschränkungen des Demonstrationsrechts, die Amnesty International in der Schweiz beobachtet hat.

«Friedlich zu demonstrieren ist ein grundlegendes Menschenrecht, keine Gunst und kein Privileg. Sowohl das Recht, sich friedlich zu versammeln, als auch das Recht auf freie Meinungsäusserung, aus dem sich das Demonstrationsrecht ableitet, sind in der Schweizer Verfassung und in internationalen Menschenrechtsnormen verankert. Es ist nicht Sache der Behörden, diese Rechte nach eigenem Ermessen zu gewähren oder einzuschränken. Jede Einschränkung muss von Fall zu Fall gerechtfertigt werden, wobei die Anforderungen der Rechtmässigkeit, des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit zu beachten sind», schliesst Alexandra Karle.

Ergänzende Informationen

Der «Appell für die Demonstrationsfreiheit» wird von Amnesty International sowie rund 30 Persönlichkeiten aus Politik und Zivilgesellschaft sowie von Rechtsprofessor*innen unterstützt. Alle Personen sind eingeladen, den Appell zu unterzeichnen und zu verbreiten.