Der Online-Bericht mit dem Titel «The Repression Trade: Investigating the Transfer of Weapons Used to Crush Dissent» identifiziert 23 Hersteller*innen von weniger tödlicher Ausrüstung und Jagdmunition, deren Produkte rechtswidrig bei Protesten in 25 Ländern weltweit eingesetzt wurden. Diese Waffen – darunter Tränengas, Gummigeschosse, Schlagstöcke und Blendgranaten – kamen regelmässig für Menschenrechtsverletzungen zum Einsatz, etwa um Protestierende oder Gefangene weltweit zu foltern oder anderweitig zu misshandeln.
Amnesty International beruft sich auf Open-Source-Technik, Waffenanalysen und Handelsdaten, um aufzuzeigen, dass dringend etwas gegen die mangelnde Transparenz und fehlende staatliche Regulierung des Handels mit Ausrüstungsgegenständen für Sicherheitsbehörden getan werden muss.
«Es gibt Unternehmen, die routinemässig Waffen in Länder geliefert haben, die eine schockierende Menschenrechtsbilanz aufweisen, obwohl Berichte vorlagen, dass die Ausrüstung dort missbraucht wird.» Patrick Wilcken, Researcher für die Bereiche Militär, Sicherheit und Polizei bei Amnesty International
«In den vergangenen Jahren wurden immer wieder sogenannte weniger tödliche Waffen eingesetzt, um Demonstrierende einzuschüchtern und zu bestrafen, was weltweit zu Tausenden vermeidbaren Verletzungen und zahlreichen Todesfällen geführt hat», sagte Patrick Wilcken, Researcher für die Bereiche Militär, Sicherheit und Polizei bei Amnesty International.
«Es gibt Unternehmen, die routinemässig Waffen in Länder geliefert haben, die eine schockierende Menschenrechtsbilanz aufweisen, obwohl Berichte vorlagen, dass die Ausrüstung dort missbraucht wird. Der Mangel an staatlicher Regulierung des Handels mit diesen Ausrüstungsgegenständen führt überall auf der Welt zu Menschenrechtsverletzungen und zur Aushöhlung des Rechts auf friedlichen Protest. Die Unternehmen, die diese Waffen herstellen, müssen den unverantwortlichen Vertrieb dieser Ausrüstungsgegenstände einstellen. Es ist an der Zeit, dass diese Unternehmen die Menschenrechte in ihrem gesamten Tätigkeitsbereich uneingeschränkt respektieren.»
Staaten, die derartige Exporte genehmigen, leisten schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen wie Folter und anderen Misshandlungen Vorschub und müssen diesen Handel dringend regulieren.
Amnesty International fordert die Staatengemeinschaft auf, der Forderung der Uno-Sonderberichterstatterin über Folter nachzukommen und ein wirkungsvolles Handelsverbot für Folterwerkzeuge zu unterstützen. Ein solches internationales Abkommen würde den Handel mit Ausrüstung, deren Anwendung grundsätzlich eine Menschenrechtsverletzung darstellt, untersagen. Zudem würde ein solches Übereinkommen strenge menschenrechtsbasierte Kontrollen für den Handel mit Ausrüstungsgegenständen für Sicherheitsbehörden einführen.
Konzerne schlagen Profit aus menschlichem Leid
Amnesty International hat Aufnahmen von Protestveranstaltungen der vergangenen zehn Jahre analysiert und Nachweise dafür gefunden, dass in allen Teilen der Welt weniger tödliche Waffen auf verantwortungslose Weise eingesetzt wurden, in manchen Fällen mit tödlichen Folgen.
Die Amnesty-Kampagne Protect the Protest hat weltweit zahlreiche Verstösse gegen das Recht auf Protest dokumentiert. In Ländern auf der ganzen Welt werden weiterhin weniger tödliche Waffen wie Tränengas, Gummigeschosse, Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt, um Demonstrierende zu schikanieren, einzuschüchtern, zu bestrafen oder zu vertreiben und ihr Recht auf friedliche Versammlung zu unterbinden.
Der Handel mit weniger tödlichen Waffen, einschliesslich der Ausrüstung zur Kontrolle von Menschenmengen, ist inzwischen zunehmend globalisiert. China, Südkorea, die USA und einige grosse europäische Staaten dominieren den Markt, aber auch Unternehmen in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Brasilien, Indien und der Türkei produzieren Waffen für den heimischen Markt und zum grossflächigen Export.
Cheddite ist ein französisch-italienisches Unternehmen, das Granaten und Patronen herstellt. Patronen von Cheddite, die mit Bleischrot gefüllt werden können und für die Jagd gedacht sind, wurden im Iran rechtswidrig gegen Demonstrierende eingesetzt. Auch aus Myanmar und dem Senegal tauchten in den Sozialen Medien verifizierte Fotos von verbrauchten Schrotpatronen der Marke Cheddite auf, als dort Protesten stattfanden, die von Menschenrechtsverletzungen begleitet waren.
Combined Systems ist einer der grössten Hersteller von weniger tödlichen Waffen in den USA. Amnesty International hat Bildmaterial verifiziert, das den Einsatz der Produkte von Combined Systems in den USA belegt. Auch in anderen Ländern, in denen die Sicherheitskräfte routinemässig rechtswidrige Gewalt gegen Protestierende angewendet haben, wie z. B. Ägypten, Israel, Tunesien und Kolumbien, kam diese Ausrüstung zum Einsatz.
Norinco ist ein chinesischer Mischkonzern im Staatsbesitz, der eine breite Palette an konventionellen Waffensystemen herstellt. Im Zusammenhang mit Protesten in Kenia, Venezuela, Georgien, Guinea, Bangladesch und Sri Lanka, die mit Menschenrechtsverletzungen einhergingen, ist verifiziertes Bildmaterial aufgetaucht, das Panzerfahrzeuge und weniger tödliche Waffen von Norinco zeigt.
Auch zwei südkoreanische Unternehmen waren Gegenstand der Untersuchung. Amnesty International hat in Bahrain, Myanmar und Sri Lanka den rechtswidrigen Einsatz von Tränengas und anderer weniger tödlicher Ausrüstung der DaeKwang Chemical Corporation dokumentiert. Amnesty International hat zudem Filmmaterial überprüft und Fotos erhalten, die zeigen, dass die Polizei in Sri Lanka und Peru Tränengasgranaten der südkoreanischen Firma CNO Tech zur Unterdrückung von Protesten einsetzte.
Gemäss der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen Unternehmen Richtlinien und Prozesse zur Wahrung der Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte ausarbeiten und umsetzen.
Amnesty International hat sich mit den oben genannten Unternehmen in Verbindung gesetzt und ihnen die Möglichkeit gegeben, auf die Ergebnisse der Untersuchung zu antworten. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatte noch keines der Unternehmen geantwortet.
Gemäss der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen müssen Unternehmen Richtlinien und Prozesse zur Wahrung der Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte ausarbeiten und umsetzen, um so die menschenrechtlichen Risiken ihrer Tätigkeit und ihrer Wertschöpfungsketten zu identifizieren und zu abzuwenden.
Unternehmen, die Ausrüstungsgegenstände exportieren, die von Polizei- bzw. Sicherheitskräften missbraucht werden könnten – insbesondere in Länder, in denen die internationalen Menschenrechtsnormen nur unzureichend eingehalten werden –, müssen vor dem Verkauf eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchführen. Wenn es nicht möglich ist, die potenziellen negativen Auswirkungen der Nutzung ihrer Produkte oder Dienstleistungen auf die Menschenrechte zu verhindern oder abzumildern, sollte das Unternehmen die Lieferung in verantwortungsvoller Weise aussetzen oder einstellen.
«Auch wenn es nicht immer möglich ist, die genauen Lieferketten für bestimmte Waffentypen zurückzuverfolgen, deuten unsere Beweise doch stark darauf hin, dass langjährige Muster unverantwortlicher Handelspraktiken weiterhin Schaden anrichten», sagt Patrick Wilcken.
Forderungen an die Schweiz
Die Schweiz, als Mitglied der Allianz für folterfreien Handel, soll sich in der Uno aktiv für das Abkommen über den folterfreien Handel einsetzen und die Empfehlungen im neuen Bericht der Uno-Sonderberichterstatterin über Folter unterstützen.
Der Bundesrat hat Ende September die Botschaft zum Foltergütergesetz verabschiedet, das den Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zu Folter verwendet werden können, regeln soll. Amnesty Schweiz hatte in der Vernehmlassung Stellung zur Vorlage genommen und fordert das Parlament auf, ein möglichst striktes Gesetz zu verabschieden: Das Foltergütergesetz muss aufgrund der besonderen Schwere der zu verhindernden Verbrechen die Verfügbarkeit der dafür verwendbaren Güter möglichst wirksam einschränken.
Unternehmen, die solche Ausrüstung herstellen, sind für die Einhaltung der Menschenrechte verantwortlich und sollten nicht in Länder exportieren, in denen die Gefahr besteht, dass weniger tödliche Waffen unrechtmässig gegen Demonstrant*Innen eingesetzt werden.
Amnesty International fordert die Regierungen auf, ein klares Zeichen für den Schutz der Zivilgesellschaft zu setzen und unnötige Hindernisse und Einschränkungen für friedliche Proteste zu beseitigen.