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Schweiz Freiburg: Menschenrechtsschutz für friedliche Proteste

Medienmitteilung 23. Mai 2024, London/Bern – Medienkontakt
Friedliche Proteste sind durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt, und es ist die Aufgabe des Staates, sie zu erleichtern. Das Recht in der Stadt und im Kanton Freiburg unterscheidet jedoch nicht zwischen diesen und anderen Formen von Veranstaltungen. Amnesty International fordert die Freiburger Behörden auf, Praxis und Recht in Einklang mit dem Völkerrecht zu bringen, so dass friedliche Demonstrationen geschützt sind.

«Es gibt Veranstaltungen, die durch das Völkerrecht und die Rechte auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung geschützt sind, und es gibt Veranstaltungen, die es nicht sind. Man kann nicht die gleichen Regeln für einen Marathon oder ein Nachbarschaftsfest anwenden wie für den feministischen Streik oder eine Klimademonstration», sagt Anita Goh, Kampagnenleiterin bei Amnesty Schweiz. «Sobald sich Menschen friedlich versammeln, um eine Meinung auszudrücken, nehmen sie ihr Recht auf Protest wahr. Dies ist ein Grund- und Menschenrecht und muss – solange es nicht zu allgemeiner Gewalt oder Aufrufen zu Gewalt, Diskriminierung oder Hass kommt – von allen staatlichen Behörden geschützt, respektiert und garantiert werden.»

Wenn also eine friedliche Versammlung unter das Recht auf Protest fällt, sind die Behörden verpflichtet, die Durchführung dieser Versammlung zu erleichtern und einen rechtlichen und institutionellen Rahmen zu schaffen, in dem dieses Recht tatsächlich auch ausgeübt werden kann.

Das Freiburger Recht unterscheidet derzeit jedoch nicht zwischen geschützten Protesten und anderen Veranstaltungen im öffentlichen Raum und wendet auf alle Arten von Veranstaltungen (Umzüge, Rennen, kommerzielle, sportliche oder kulturelle Veranstaltungen, Feste, Versammlungen usw.) die gleichen Regeln an. Dies betrifft insbesondere die Bewilligungsgebühren oder die Kosten für den Polizeischutz und Verkehrsregelung, die von den Organisator*innen zu tragen sind, das Genehmigungsverfahren, die Verpflichtung, einen Ordnungsdienst zu stellen, oder die Räumlichkeiten zu reinigen. Es handelt sich dabei um einschränkende Bedingungen, die abschreckend wirken und/oder prohibitive Kosten verursachen und manche Menschen von der Ausübung ihrer Grund- und Menschenrechte abhalten können. Die Regeln stehen im Widerspruch zu staatlichen Verpflichtungen zur Erleichterung friedlicher Demonstrationen.

«Wir fordern die Behörden auf, das Recht auf Protest in Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz zu schützen und gewährleisten», sagt Anita Goh.

Ein Arsenal an abschreckenden Massnahmen

Das derzeitige Genehmigungsverfahren stellt Bedingungen und Pflichten auf, die über das hinausgehen, was für die Ausübung eines grundlegenden Menschenrechts notwendig ist. So können die Gebühren », die für das Erteilen von Demonstrationsbewilligungen erhoben werden, manche Menschen von der Ausübung ihrer Rechte abhalten oder sogar ausschliessen. Dasselbe gilt für die Informationen und Daten, die von den Organisator*innen friedlicher Proteste verlangt werden. Sie sollten sich auf das Minimum beschränken, das die Behörden benötigen, um den Schutz und die Erleichterung der Demonstration zu gewährleisten.

Wenn die Organisator*innen einer friedlichen Demonstration – wie es derzeit der Fall ist – gezwungen werden, auf eigene Kosten und Verantwortung einen Ordnungsdienst für eine Demonstration einzurichten, das Gelände danach zu säubern, andere damit verbundene öffentliche Dienstleistungen (medizinische Versorgung, Brandschutz) zu erbringen oder eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen, hat dies aufgrund der prohibitiven Kosten dieser Massnahmen eine abschreckende Wirkung.

Wenn den Veranstalter*innen Gebühren für die Aufrechterhaltung der Ordnung oder die Regelung des Verkehrs in Rechnung gestellt werden, wird zudem verkannt, dass es sich hierbei um Aufgaben handelt, die der Polizei obliegen und daher vom Staat zu tragen sind.

Schliesslich hat die Bestimmung, dass Veranstalter*innen friedlicher Demonstrationen für Polizeieinsätze zur Kasse gebeten werden können, wenn sie «ihre Pflichten im Bereich der Sicherheit in schwerwiegender Weise verletzt haben», einen strafenden Charakter und damit eine stark abschreckende Wirkung.

«Friedliche Proteste sind ein zentraler Pfeiler einer demokratischen Gesellschaft», sagt Anita Goh. «Es ist das einzige Instrument, das jeder Person zur Verfügung steht, um sich Gehör zu verschaffen, Veränderungen zu fordern oder Missstände anzufechten. Deshalb hat dieses Instrument den Rang eines Menschenrechts und es ist die Aufgabe des Staates, es zu schützen.»