In einer Aktion «Humanitäre Schweiz, wo bist du?» übergeben Amnesty International Schweiz und weitere Organisationen zwei Petitionen mit total über 45'000 Unterschriften an den Bundesrat und das Parlament. Die Forderung: Die Schweiz soll sich ihrer humanitären Tradition besinnen und sich klar auf die Seite des humanitären Völkerrechts stellen.
«Wir begrüssen, dass die Schweiz als Mitglied im Uno-Sicherheitsrat für die Resolution gestimmt hat, die eine sofortige Waffenruhe, die bedingungslose Freilassung aller Geiseln und humanitäre Hilfe für Gaza fordert», erklärt Patrick Walder von Amnesty International Schweiz. «Es ist jetzt dringend erforderlich, dass sich die Schweiz aktiv für die Umsetzung dieser rechtlich bindenden Resolution einsetzt.»
Gleichzeitig bleibt der Beitrag der Schweiz an das Uno-Hilfswerk UNRWA weiterhin eingefroren. Dies, obwohl die israelische Regierung bis heute keinerlei Beweise für ihre schweren Anschuldigungen gegen einzelne UNRWA-Mitarbeitende vorgelegt hat. Zu diesem Schluss kommt der unabhängige Untersuchungsbericht unter Aufsicht der ehemaligen französischen Aussenministerin Catherine Colonna.
Nach den Anschuldigungen Israels gegen das Uno-Hilfswerk hatten mehrere Staaten die Finanzierung der UNRWA ausgesetzt, darunter auch die Schweiz. Diese drakonische Entscheidung hat katastrophale Auswirkungen auf das Leben und das Überleben von Millionen Menschen. Die UNRWA ist für die Bildung und Versorgung von sechs Millionen palästinensischer Flüchtlinge im Gazastreifen wie auch in der besetzten Westbank und den Nachbarländern Libanon, Syrien und Jordanien zuständig. Eine Einstellung des Betriebes der UNRWA hätte eine stark destabilisierende Wirkung auf diese ohnehin schon fragilen Regionen und Länder und schadet somit auch den Interessen der Schweiz. Die aussenpolitische Kommission des Nationalrats stimmt Ende April über die Finanzierung ab.
«Wir appellieren an den Bundesrat und an das Parlament, sich klar auf die Seite des humanitären Völkerrechts zu stellen und sich für die Finanzierung der UNRWA auszusprechen.» Patrick Walder, Amnesty Schweiz
«Das Zögern der Schweiz, die Uno-Hilfe zu finanzieren, während Millionen von Palästinenser*innen an Hunger leiden, ist schwer zu begreifen und wird das Ansehen der humanitären Schweiz beschädigen», erklärt Patrick Walder. «Wir appellieren an den Bundesrat und an das Parlament, sich klar auf die Seite des humanitären Völkerrechts zu stellen und sich für die Finanzierung der UNRWA auszusprechen. Wir appellieren an ihre Menschlichkeit angesichts der humanitären Katastrophe. Die mutmasslichen Handlungen einiger weniger Angestellten der UNRWA dürfen nicht als Vorwand dienen, um lebensrettende Hilfe für Millionen von Menschen einzustellen.»
Der Entscheid, die Unterstützung der wichtigsten Hilfsorganisation im Gazastreifen einzustellen, ist besonders stossend nachdem ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) im Januar feststellte, dass die palästinensische Bevölkerung im besetzten Gazastreifen von einem Völkermord bedroht sein könnte. Der IGH ordnete an, dass Israel sofort Massnahmen ergreift, um die humanitäre Hilfe sicherzustellen.
«Alle Staaten haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Massnahmen des Internationalen Gerichtshofs umgesetzt werden: Sie müssen die humanitäre Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen sicherstellen und einen drohenden Völkermord verhindern», sagt Patrick Walder.
Die Schweiz soll dem Beispiel mehrerer europäischen Staaten folgen, die die wichtige Rolle der UNRWA anerkennen: Norwegen, Spanien, Irland, Belgien und weitere Staaten führen ihre Finanzierung weiter oder haben sie gar deutlich erhöht. Auch die Europäische Union hat Anfang März 2024 eine erste Tranche von 50 Millionen Euro für die UNRWA freigegeben.
Die Schweiz muss alles tun, damit die Resolution des Uno-Sicherheitsrat umgesetzt wird. Wenn die internationale Gemeinschaft scheitert, die verabschiedeten Massnahmen umzusetzen, dann bedroht das nicht nur die Zivilbevölkerung in Gaza, es stellt auch den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten generell in Frage – und das kann niemals im Interesse der Schweiz sein.
Seit dem schrecklichen Angriff der Hamas auf Israel und der Entführung von mindestens 240 Geiseln am 7. Oktober wurden im Gazastreifen über 34’000 Palästinenser*innen getötet. Über zwei Millionen Menschen sind von einer Hungersnot bedroht und haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung.
Die Petitionen «Schweiz muss die Uno-Hilfe für Gaza sicherstellen» und «Waffenstillstand jetzt, um das Leiden zu beenden!» werden mit total über 45’000 Unterschriften eingereicht. Die Forderungen werden von weiteren Organisationen in der Schweiz unterstützt:
- Alliance Sud – Das Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik
- Campax – Schweizerische Bürger*innenbewegung
- Forum für Menschenrechte in Israel / Palästina
- Frieda – die feministische Friedensorganisation
- FriedensFrauen Weltweit – PeaceWomen Across the Globe
- Gerechtigkeit und Frieden in Palästina– GFP
- GSoA – Gruppe Schweiz ohne Armee
- Ina autra senda - Swiss Friends of Combatants for Peace
- Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina– JVJP
- medico international schweiz
- Palestine Solidarity Switzerland
- Schweizerischer Friedensrat
- Swiss Action for Human Rights