What has the ECHR ever done vor us? © The Guardian What has the ECHR ever done vor us? © The Guardian
«Was hat die EMRK je für uns getan?» Englischer Sketch von The Guardian und Monty Python mit Schauspieler Patrick Stewart, der zur Anti-Menschenrechts-Initiative ausgezeichnet passt. © The Guardian.

Anti-Menschenrechts-Initiative Gefährliches Signal an Unrechtsstaaten

25. Mai 2018
Die «Fremde-Richter-Initiative» sendet ein gefährliches Signal an Staaten wie Russland oder die Türkei, die häufig in Konflikt mit der Europäischen Menschenrechtskonvention geraten. Viele schauen deshalb mit Besorgnis auf die Schweiz und stellen fest, dass ausgerechnet dieses Land den europäischen Menschenrechtsschutz sabotieren könnte. Deshalb warnen Menschenrechtsexpertinnen und prominente Menschenrechtsverteidiger vor dieser gefährlichen Initiative.

Wo autoritäre Regierungen die Freiheiten und Rechte ihrer Bevölkerung einschränken, garantiert die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) einen Minimalstandard, der nicht folgenlos unterschritten werden darf. Wo Rechtsstaaten zerfallen und Gerichte unter politischen Druck geraten, bietet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für viele Menschen die letzte Zuflucht, wo sie ihre Rechte einklagen können.

Die Annahme der SVP-Initiative hätte nicht nur für den Menschenrechtsschutz in der Schweiz fatale Folgen. Bereits die Lancierung dieser Initiative kann anderen Staaten als Argument für ihre Angriffe gegen diese Menschenrechtsinstitutionen und die Menschenrechte per se dienen.

Das sagen internationale MenschenrechtsexpertInnen und Menschenrechtsengagierte zur «Fremde-Richter-Initiative»:

Zeid Raad Al-Hussein, Hochkommissar für Menschenrechte der Uno

Zeid Raad Al-Hussein, Hochkommissar für Menschenrechte der Uno, bei einem Treffen mit Amnesty Schweiz. © AICH

«Die Schweiz ist in der Welt bekannt für die Verteidigung des internationalen Rechts. Dieses wird geradezu mit der Schweiz identifiziert. Wenn die Schweiz nun einen Angriff auf grundlegendes Recht startet, so ist der Schaden für den Ruf des Landes enorm … wirklich schlecht für das rechtsstaatliche Image der Schweiz.»

 

Nils Melzer, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter und Völkerrechtsprofessor an der Universität Glasgow

Nils Melzer. © Salvatore di Nolfi / Keystone Der Schweizer Nils Melzer lehrt unter anderem auch am Lehrstuhl für Menschenrechte an der Genfer Akademie für internationales humanitäres Recht und Menschenrechte in der Schweiz. © Salvatore di Nolfi / Keystone

«Die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» verspricht direkte Demokratie, Selbstbestimmung, Souveränität und Verfassungsstaat. In Wahrheit aber verkauft sie dem Stimmvolk Behördenautomatismus, Selbstentmündigung, Isolation und Rechtsunsicherheit. Ein echter Wolf im Schafspelz!»

 

Manfred Nowak, Professor für Internationales Recht und Menschenrechte an der Universität Wien

Manfred Nowak Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak ist Generalsekretär des European Inter-University Center for Human Rights and Democratisation in Venedig. © zvg

«Die EMRK ist die Magna Carta der Menschenrechte in Europa, und der EGMR der erfolgreichste Gerichtshof für Menschenrechte weltweit. Diese Errungenschaften eines einheitlichen Mindeststandards für Menschenrechte in Europa und der damit verknüpften gerichtlichen Überwachung sollten nicht leichtfertig auf das Spiel gesetzt werden.»

Sergei Nikitin, ehemaliger Direktor von Amnesty in Russland

Menschenrechte brauchen Luft Menschenrechte brauchen Luft: Sergei Nikitin sorgt sich um die EMRK. © AICH

«Mein Land hat wenig Respekt für die Menschenrechte. Der Kreml braucht den Begriff nur, wenn sich daraus Vorteile ergeben – konkret, um den Westen zu verurteilen. Die Mehrheit der Russinnen und Russen hat kaum Verständnis dafür, was Menschenrechte sind. Die meisten ignorieren Menschenrechtsverletzungen oder befürworten diese aufgrund staatlicher Propaganda sogar. Wir hoffen, dass die Schweiz, die berühmt ist für ihre Neutralität und die direkte Demokratie, mit der Volksabstimmung ein klares Zeichen zur Verteidigung der EMRK und der Menschenrechte in Europa setzt».

Rachel Logan, Amnesty Grossbritannien, Leiterin der Abteilung Recht und Menschenrechte

Rachel Logan (links) an der Jahresversammlung von Amnesty. © AICH

«Nie wieder sollten sich die Schrecken des Zweiten Weltkrieg wiederholen – das war das Versprechen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Diese Errungenschaft ist heute in Gefahr. Die EMRK wird von Teilen der politischen Elite in Grossbritannien als ein ‚Hilfsmittel für Terroristen und Kriminelle‘ verunglimpft. Dabei garantiert die Konvention den Schutz jeder Bürgerin und jedes Bürgers in Europa. Die Missachtung oder gar die Kündigung der EMRK wäre ein gravierendes Signal an Unrechtsstaaten.»
 

Idil Eser, Direktorin von Amnesty Türkei

Idil Eser Idil Eser, Direktorin von Amnesty Türkei, hat in ihrem Land selber erlebt, wie leicht Menschenrechte ausgehebelt werden können und betont daher die Bedeutung der EMRK. © AICH

«Unter dem Deckmantel des Ausnahmezustands haben sich die türkischen Behörden planmässig daran gemacht, die Zivilgesellschaft zu demontieren, Medienschaffende und Menschenrechtler zu inhaftieren und NGOs zu schliessen. Die Folge ist ein Klima der Angst. Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist heute die letzte Hoffnung für viele Menschen, die in der Türkei unschuldig verfolgt werden, die letzte Garantie, dass Gerechtigkeit doch obsiegt.»

Fanny de Weck, Schweizer Völkerrechtsspezialistin

Völkerrechtsexpertin Fanny de Weck (rechts) hofft sehr, dass die Anti-Menschenrechts-Initiative abgelehnt wird. © AICH

«Diejenigen, die den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte attackierten, haben meist nationale Akteure, Institutionen und Richter im Visier. Das gilt für die Schweiz ebenso wie für Grossbritannien, Russland oder die Türkei. Menschenrechte sind universell gültig und sie müssen international geschützt und geachtet werden. Aber der Kampf für die Respektierung der Menschenrechte muss auch auf nationaler Ebene gewonnen werden».

Sir Patrick Stewart, Schauspieler und Menschenrechtsaktivist

Der britische Schauspieler Sir Patrick Stewart (bekannt aus Star Trek – Next Generation und X-Men) engagiert sich seit Jahren mit Amnesty International für Menschenrechte, insbesondere für Frauenrechte. © AI

«Die EMRK ist von grosser Wichtigkeit und ihre Arbeit ist für die demokratischen Prozesse nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt entscheidend. Sie muss intakt bleiben. Weder die Schweiz noch Grossbritannien dürfen sich aus ihr zurückziehen. Das wäre katastrophal.»