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Wintersession (4. Dezember – 22. Dezember) Menschenrechte im Parlament: Winter 2024

29. November 2024
In der Wintersession werden beide Räte über verschiedene asyl- und migrationspolitische Vorlagen beraten, welche als Gradmesser dienen, ob sich das Parlament noch von der menschenrechtlichen- und humanitären Tradition der Schweiz leiten lässt.

Einerseits wird der Ständerat über mögliche Verschärfungen beim Familiennachzug für vorläufig aufgenommene Personen entscheiden. In der Kommission wurden diese knapp abgelehnt. Amnesty International fordert, dass der Rat seiner Kommission folgt.  

Andererseits werden beide Räte auch über mögliche Anpassungen des Schutzstatus S entscheiden. Auch hier fordert Amnesty vom Parlament ein klares Bekenntnis zu den Menschenrechten: Der Schutzstatus S muss weiterhin denjenigen offenstehen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, um die humanitären Verpflichtungen der Schweiz einzuhalten und den Schutz besonders gefährdeter Gruppen zu gewährleisten. Ausserdem soll die Weiterentwicklung vom Schutzstatus S vorangetrieben werden und beispielsweise durch einen neuen humanitären Schutzstatus ersetzt werden. 

Im Bereich der Gendergerechtigkeit hat das Parlament die Chance, Massnahmen zu treffen, um besser gegen Gewalt an Frauen vorzugehen. Amnesty International begrüsst die Vorstösse, welche den Diskriminierungsschutz stärken und die Datenlage zu Femiziden verbessern sollen.  

Im Anschluss finden Sie Amnesty’s Position zu konkreten Geschäften zu diesen Themen.

Übersicht (Nach Themen)

Asyl und Migration

Schutzstatus S

UNO-Migrationspakt

Asylgesetz

Gender Justice

Aufrufe zu Hass und Gewalt aufgrund des Geschlechts müssen strafbar werden

Machbarkeitsstudie bezüglich statistischer Erfassung von Feminiziden

Israel / Besetztes palästinensisches Gebiet

Besetzung Palästinas. Entsprechend dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs der Besetzung und der Gewalt durch Siedlerinnen und Siedler mit Massnahmen ein Ende setzen

ASyl und Migration

Schutzstatus S

Nationalrat - Montag, 02. Dezember 2024 

24.3378 / Motion - Schutzstatus S auf wirklich Schutzbedürftige beschränken 

Verschiedene Motionen im National- und Ständerat haben zum Ziel, den Schutzstatus S anzupassen. Im Nationalrat zielt die Motion 24.3378 darauf ab, den Schutzstatus S massiv einzuschränken. Die vorgeschlagene Einschränkung des Schutzstatus S ignoriert die Sicherheitslage in der Ukraine und die humanitären Bedürfnisse vieler Betroffener komplett. Amnesty International empfiehlt diese Motion zur Ablehnung, da es in der aktuellen Lage keinen Ort in der Ukraine gibt, der vor Angriffen gefeit ist. Der Sommer 2024 wird von der Uno gar als die tödlichste Zeit für Zivilist*innen seit Beginn des russischen Angriffskrieges bezeichnet. Recherchen von Amnesty International belegen, dass die russische Armee Städte angreift, die weit von der Front entfernt sind und gezielt zivile Objekte wie Kinderkrankenhäuser ins Visier nimmt, die nach dem humanitären Völkerrecht besonderen Schutz geniessen. In einem Statement vom 18. November 2024 beschreibt Amnesty International drei Angriffe in unterschiedlichen Landesteilen, die alle zu erheblichen Opferzahlen in der Zivilbevölkerung geführt haben. Das Konzept der Motion von «mehr oder weniger intensiven Kampfhandlungen» verkennt die massiven Auswirkungen, die der Krieg auf die Lebensbedingungen sowie die physische und mentale Gesundheit der Bevölkerung hat. 

Die Aufhebung des Schutzes für nicht ukrainische Staatsangehörige würde zudem internationalen Standards widersprechen, da der Schutz nicht von der Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden darf. 

Amnesty International fordert deshalb den Nationalrat auf, seiner Staatspolitischen Kommission zu folgen und die Motion 24.3378 abzulehnen.  

Ständerat - Montag, 16. Dezember 2024 

24.313 / Standesinitiative - Missbrauchsbekämpfung durch die Aufhebung des Status S für Asylsuchende aus der Ukraine 

Im Ständerat wird zudem über die Standesinitiative 24.313 des Kantons St. Gallen beraten, welcher die zuständige Kommission keine Folge gegeben hat. Amnesty International empfiehlt die Ablehnung. 

Ständerat - Mittwoch, 18. Dezember 2024 

24.3035 / Motion - Für die Akzeptanz des Schutzstatus S braucht es Anpassungen 

In der Wintersession werden auch die gleichlautenden Motionen 24.3022 (im Nationalrat) und 24.3035 (im Ständerat) behandelt. Beide zielen auf eine Verschärfung der Bedingungen für den Schutzstatus S ab. Amnesty International fordert die Räte auf, beide Motionen abzulehnen.  

Nationalrat - Donnerstag, 12. Dezember 2024 

UNO-Migrationspakt 

21.018 / Geschäft des Bundesrates 

Der UNO-Migrationspakt ist ein Kompromiss für eine internationale Migrationspolitik, ohne die Souveränität der Staaten einzuschränken. So wird explizit anerkannt, dass jedes Land selbst über seine Migrationspolitik entscheidet. Ein besonders bedeutender Fortschritt des Pakts ist das Bekenntnis, die Praxis der Kinderhaft zu beenden. Unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) und Kinder in Migrationsprozessen brauchen besonderen Schutz und dürfen nicht durch Administrativhaft traumatisiert werden. 

Amnesty International betont, dass alternative Lösungen zur Inhaftierung entwickelt werden müssen, um das Wohl der Kinder sicherzustellen. Der Pakt fordert die Staaten auf, ihre Praxis entsprechend anzupassen, was auch in der Schweiz positive Auswirkungen haben könnte. Bedauerlicherweise lehnte die SPK-N den Beitritt zum Uno-Migrationspakt ab und verlangte lediglich eine Kenntnisnahme der Ziele und Prinzipien des Paktes. 

Entsprechend fordert Amnesty International das Parlament trotz der ablehnenden Haltung der SPK-N auf, den Uno-Migrationspakt zu ratifizieren und umzusetzen. 

Ständerat - Mittwoch, 18. Dezember 2024 

Asylgesetz (Sicherheit und Betrieb in den Zentren des Bundes). Änderung 

24.038 / Geschäft des Bundesrates 

Amnesty International betont die Notwendigkeit eines proaktiven Monitorings und einer unabhängigen Überwachung der Massnahmen in den BAZ, um Missbrauch zu verhindern und die Würde der Asylsuchenden zu wahren. Bereits während der Vernehmlassung hat Amnesty International erhebliche Bedenken hinsichtlich der vorgeschlagenen Änderungen in Bezug auf die Sicherheit und den Betrieb in den Bundesasylzentren (BAZ) geäussert. 

Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass Minderjährige unter 18 Jahren von jeglicher Form der Festhaltung ausgenommen werden sollten. Eine ausführliche Analyse findet sich in der Vernehmlassungsantwort von Amnesty International. 

Die Staatspolitische Kommission des Ständerates hat die Vorlage überarbeitet, nun muss der Rat entscheiden. Amnesty International begrüsst die vorgeschlagene Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern in Bezug auf ihre eigene Sicherheit, bedauert aber die Verschärfungen in Bezug auf den Ausschluss von Asylsuchenden aus gemeinsamen Räumen, sowie verschiedene Verschlechterungen mit Blick auf Beschwerdemöglichkeiten. 

Entsprechend empfiehlt Amnesty International dem Ständerat bei:  

  • Art. 25 Abs. 1 d. der Mehrheit zu folgen, 
  • Bei Art. 25a Abs. 2 d, Art. 25a Abs. 4, Art. 25a Abs. 6 sowie Art. 107 Abs. 3 der Minderheit gemäss Nationalrat zu folgen sowie 
  • Bei Art. 25b Abs. 1 und Abs. 5 der Minderheit zu folgen, um die Festhaltung von Minderjährigen auszuschliessen. 

Sollte die Änderung in der finalen Version die Festhaltung von Minderjährigen ermöglichen, empfiehlt Amnesty die Vorlage zur Ablehnung. 

Kein Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene 

24.3057 und 24.3511 / Motion 

Die Motion Friedli (24.3511) sowie die Motion der SVP (24.3057) sehen die Abschaffung des Familiennachzugs für Personen mit einer F-Bewilligung vor. Damit soll Menschen, die aus Kriegs- und Krisengebieten stammen und langfristig in der Schweiz leben, das Recht auf Familienzusammenführung verweigert werden. Der Familiennachzug spielt jedoch eine zentrale Rolle für die soziale und berufliche Integration und fördert den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Gleichzeitig würde die Abschaffung dieses Rechts gegen internationale Verpflichtungen der Schweiz insbesondere mit Blick auf das Recht auf Familie, sowie gegen unsere humanitären Werte verstossen. 

Nachdem die SPK-S beide Motionen zur Ablehnung empfiehlt, liegt es nun am Ständerat dies zu bestätigen. Besonders hervorzuheben ist, dass sich sogar fünf eidgenössische Kommissionen bei der SPK-S zu Wort gemeldet haben und den Entscheid des Nationalrates in der Herbstsession aus menschenrechtlichen Gründen kritisieren und dringend davor abraten die Motion anzunehmen. 

Amnesty International fordert den Ständerat auf, diese Motionen klar abzulehnen und somit das Menschenrecht auf Familie zu schützen.  

Gender Justice

Ständerat - Montag, 16. Dezember 2024 

Aufrufe zu Hass und Gewalt aufgrund des Geschlechts müssen strafbar werden 

21.513 / Parlamentarische Initiative (sowie 21.514, 21.515, 21.516, 21.522 und 21.527) 

Sechs gleichlautende Parlamentarische Initiativen aus 5 Fraktionen fordern, dass Aufrufe zu Hass und Gewalt aufgrund des Geschlechts strafbar werden, wie das bei rassistischer, religiöser oder Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung bereits der Fall ist. Obwohl solche Hassrede gegen Frauen eine Tatsache ist, hat sich die Rechtskommission des Ständerates im Gegensatz zur Mehrheit des Nationalrates und zur zuständigen Nationalratskommission zum zweiten Mal dagegen ausgesprochen. 

Damit Hassrede aufgrund des Geschlechts nicht straflos bleibt und um klar zu signalisieren, dass solches Verhalten nicht toleriert wird, scheint es Amnesty wichtig, ein Verbot von Hassrede aufgrund des Geschlechts in Art. 261bis StGB aufzunehmen. 

Entsprechend fordert Amnesty International den Ständerat auf, die Pa. IVs zu unterstützen.  

Nationalrat - Montag, 16. Dezember 2024 

Machbarkeitsstudie bezüglich statistischer Erfassung von Femiziden 

24.3782 / Postulat 

Der Nationalrat wird zudem über Postulat 24.3782 entscheiden, welches den Bundesrat mit einer Studie zur statistischen Erfassung von Femiziden beauftragen will. Da das Postulat bekämpft wurde, muss der Nationalrat darüber beraten. 

Mit dem Begriff Femizid wird die vorsätzliche Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts bezeichnet. Femizid ist eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt und unterscheidet sich von anderen Mordarten durch die zugrunde liegenden Motive, die mit Sexismus, Frauenfeindlichkeit und patriarchalischen Strukturen zusammenhängen. Während verschiedene Länder bereits spezifische Gesetze erlassen haben, ist die Schweiz im internationalen Vergleich wenig fortgeschritten im Kampf gegen Femizid. Die systematische Erfassung wäre ein erster, zwingender Schritt, um den Umfang des Problems zu bestimmen und angemessene Massnahmen zu treffen. 

Amnesty International empfiehlt dem Nationalrat, das Postulat 24.3782 zu unterstützen.  

ISrael / Besetztes palästinensisches Gebiet

Ständerat - Dienstag, 10. Dezember 2024 

Besetzung Palästinas. Entsprechend dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs der Besetzung und der Gewalt durch Siedlerinnen und Siedler mit Massnahmen ein Ende setzen 

24.4232 / Motion 

Die Motion fordert, dass sich der Bundesrat für ein Ende der Besetzung des Palästinensischen Gebietes, insbesondere durch gewalttätige Siedler, einsetzt. Die Schweiz hat selbst wiederholt erklärt, dass die israelischen Siedlungen im besetzten palästinensischen Gebiet einschliesslich Ostjerusalem gegen das Völkerrecht verstossen. Amnesty International fordert die Schweiz auf, in Umsetzung des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs sicherzustellen, dass Israel seine rechtswidrige Besatzung beendet, angefangen mit der sofortigen Einstellung der Ausweitung israelischer Siedlungen und der Rückgabe des annektierten palästinensischen Gebiets. 

Entsprechend wäre es folgerichtig, dass der Bundesrat konkrete Massnahmen ergreifen würde, um dem Gutachten des Gerichtshofs zur Durchsetzung zu verhelfen. Während der verbleibenden Zeit im Uno-Sicherheitsrat sollte die Schweiz darauf drängen, dass der Rat neben einem umfassenden Waffenembargo gegen alle Konfliktparteien auch gezielte Sanktionen gegen die für Völkerrechtsverbrechen verantwortlichen Entscheidungsträger von Israel und der Hamas verhängt.