Bundeshaus Bern, Südsicht. © parlament.ch
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Frühjahrssession (03. – 21. März 2025) Menschenrechte im Parlament: Frühjahr 2025

26. Februar 2025
Bleiben die Menschenrechte eine relevante Grösse in der Schweizer Aussenpolitik? Die Beurteilung verschiedener Geschäfte in der Frühjahrssession wird Hinweise geben für die Beantwortung dieser Frage.

Das Parlament liefert sich immer noch ein Tauziehen um die Zukunft der Schweizer Unterstützung für das Uno-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Amnesty International fordert zusammen mit einer breiten Koalition von Schweizer NGO, dass sich die Schweiz auf ihre humanitäre Tradition besinnt und die Gelder freigibt.

Zweitens muss der Nationalrat entscheiden, ob der Bund seine China-Strategie weiterführen will, oder – nach einer Strategieperiode mit wenig konkreten Erfolgen – die Übung abbrechen soll. Amnesty International fordert, dass der Respekt der Menschenrechte fundamentaler Bestandteil der gemeinsamen Beziehungen bleibt.

Drittens wird sich im Nationalrat zeigen, ob das Parlament weiterhin den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schwächen will, oder ob sich die Schweiz ohne Wenn und Aber für den europäischen Menschenrechtsschutz einsetztt.

Zudem werden asyl- und migrationspolitische Themen in beiden Räten behandelt. Der Nationalrat wird sich auch mit der Frage beschäftigen, ob Femizide einheitlicher erfasst werden sollen.

 

Übersicht (Nach Themen)

Aussenpolitik

Israel und besetztes Palästinensisches Gebiet
China

Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK

Kernaufgaben des EGMR

Asyl und Migration

Asylgesetz (Sicherheit und Betrieb in den Zentren des Bundes). Änderung
Schaffung von Transitzonen zur Durchführung von Asylverfahren

Gender Justice

Machbarkeitsstudie bezüglich statistischer Erfassung von Femiziden

aussenpolitik

Israel und besetztes palästinensisches Gebiet
Ständerat - Dienstag, 18. März 2025
 

Einstellung der Beiträge an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten
24.3194 / Motion

Reform der Flüchtlingshilfe für Palästinenser
24.3815 / Motion

Mehrere Vorstösse betreffen die Schweizer Unterstützung für das Uno-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Nach dem Nationalrat hat sich im Februar 2025 auch die Aussenpolitische Kommission gegen die Weiterführung der Schweizer Unterstützung gestellt – und damit gegen die Empfehlungen des EDA. In einer unverständlichen Abkehr von humanitären Prinzipien und in Widerspruch zu den Äusserungen von Bundesrat Ignazio Cassis während der Debatten im Uno-Sicherheitsrat will die Kommission jegliche Unterstützung der Schweiz an die UNRWA verbieten.

Motion 24.3194 fordert die vollständige Einstellung der Schweizer Unterstützung der UNRWA, während Motion 24.3469 den Sockelbeitrag für 2024 in die humanitäre Nothilfe umleiten wollte, aber jetzt zeitlich redundant ist. Schliesslich folgt die APK-S auch der Motion 24.3815 welche den Bundesrat auffordert, sich bei der internationalen Staatengemeinschaft für eine Nachfolgelösung für die UNRWA einzusetzen.

Um die humanitäre Krise zu bewältigen und den fragilen Waffenstillstand zu stabilisieren braucht es die UNRWA dringender denn je; keine andere Organisation kann ihre Aufgaben übernehmen, weder im besetzten palästinensischen Gebiet noch in der Region. Auch die Spitzen führender UN-Organisationen haben erklärt, dass «keine andere Organisation in der Lage (ist), den Umfang und die Breite der Hilfe zu leisten, die 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen dringend benötigen». Für die Idee, die humanitäre Finanzierung vom UNRWA auf andere Organisationen umzulenken, fehlen also schlicht die dafür nötigen Voraussetzungen.

Anstatt weiterhin den Verleumdungen gegen die UNRWA Vorschub zu leisten, sollte sich das Parlament klar zur humanitären Tradition der Schweiz bekennen und vom Bundesrat die Freigabe der nächsten Finanzierungstranche verlangen.

Entsprechend empfiehlt Amnesty International dem Ständerat, die Motionen 24.3194, 24.3469, und 24.3815 abzulehnen.

China

Nationalrat – Mittwoch, 19. März 2025

Verlängerung der China-Strategie
24.3822 / Motion

Bereits in seiner China-Strategie 2021-2024 hatte der Bundesrat festgehalten, dass sich «die Situation in China mit Bezug auf Meinungsäusserungsfreiheit, Schutz der Privatsphäre, Rechte von Minderheiten sowie Druckversuche gegenüber Menschenrechtsverteidigern deutlich verschlechtert» hatte. Seither hat auch Amnesty International schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die im Fall der Situation in Xinjiang auch von der Uno mit möglichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichgesetzt wurden. Letztmals im Februar 2025 hat der Bundesrat festgehalten, dass die transnationale Repression durch China die Ausübung von Grundrechten auch in der Schweiz einschränkt und ein Klima der Angst auslösen kann. Gleichzeitig schickt sich die Schweiz an, das existierende Freihandelsabkommen mit China zu erneuern und zu «optimieren».

Mit der Verlängerung einer bilateralen China Strategie trägt der Bundesrat zu einer kohärenten Menschenrechtsaussenpolitik und somit zur Erfüllung des Verfassungsauftrags, die Menschenrechte weltweit zu fördern, bei.

Entsprechend empfliehlt Amnesty International dem Nationalrat, die Motion 24.3822 anzunehmen.

Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK

Kernaufgaben des EGMR

Nationalrat – Montag, 17. März 2025

24.3485 / Motion

Motion 24.3485 fordert, dass sich die Schweiz im Europarat für ein neues Zusatzprotokoll einsetzt, welches den Ermessensspielraum der Vertragsstaaten ausdehnen und das Verbandsbeschwerderecht einschränken möchte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt eine wichtige Aufgabe, um der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in allen Mitgliedsländern des Europarat - auch der Schweiz - zur Umsetzung zu verhelfen. Er ist somit ein Grundpfeiler eines lebenswerten, sicheren und friedlichen Europas. Nach dem Subsidiaritätsprinzip sind für die Einhaltung und Umsetzung der Konvention primär die Vertragsstaaten zuständig. Der Ermessensspielraum zur Anwendung der EMRK steht jedoch unter Kontrolle durch den Gerichtshof. Dies ist das zentrale Versprechen einer regionalen Menschenrechtskonvention, und gehört im Gegensatz zur Argumentation der Motionzu den Kernaufgaben des EGMR. Das Narrativ einer vermeindlichen Kompetenzüberschreitung, das die Motion bedient, ist also inhaltlich falsch und gefährlich.

Die Motion ist auch prozedural kleinlich und aus der Zeit gefallen. Bereits 2011 hatten die Schweiz und Grossbritannien einen ähnlichen Reformvorschlag gemacht. Nach längeren Verhandlungen haben sich die 46 Europaratsstaaten auf das 15. Zusatzprotokoll geeinigt, welches das Subsidiaritätsprinzip bekräftigt, aber auch die wichtige Funktion des EGMR anerkannt. Dieses Resultat gilt es zu akzeptieren. Die Schweiz würde sich als unzuverlässiger Partner zeigen, sollte sie schon wieder dasselbe Thema verhandeln wollen, das in Strassburg gemeinhin als abgeschlossen gilt. Betreffend dem Verbandsbeschwerderecht ist die EMRK klar: Die Entscheidung im Fall Klimaseniorinnen präzisiert lediglich, welche Bedingungen NGOs erfüllen müssen, um von dem in Artikel 34 festgehaltenen Recht Gebrauch zu machen.

Die Motion, sollte sie angenommen und umgesetzt werden, würde also die Funktion des EGMR im Kern angreifen, und den Zugang zum Recht einschränken. Entsprechend empfiehlt Amnesty International dem Nationalrat, der Kommissionsminderheit zu folgen und den Vorstoss abzulehnen.

Asyl und Migration

Asylgesetz (Sicherheit und Betrieb in Zentren des Bundes). Änderung

Nationalrat – Montag, 10. und 17. März 2025 

Ständerat - Donnerstag, 13. März 2025

24.038 / Geschäft des Bundesrates

Die Differenzbereinigung zur Vorlage 24.038 behandelt zentrale Streitpunkte zwischen National- und Ständerat. In den bisherigen Diskussionen wurde mehrmals bekräftigt, dass minderjährige Asylsuchende besonderen Schutz benötigen, insbesondere bei Durchsuchungen und Disziplinarmassnahmen. Dennoch gibt es Minderheitsanträge, die diesen Schutz in einigen Bereichen abschwächen wollen. Eine ausführliche Analyse zum Asylgesetz findet sich in der Vernehmlassungsantwort von Amnesty International.

Entsprechend empfiehlt Amnesty International

  • Bei Art. 9 Abs 3. der Kommissionsmehrheit zu folgen.
  • Bei Art. 25a Abs. 2 der Kommissionsmehrheit zu folgen.
  • Bei Art. 25b Abs. 5 der Kommissionsmehrheit zu folgen.


Schaffung von Transitzonen zur Durchführung von Asylverfahren
Ständerat – Donnerstag, 13. März 2025
24.3516 / Motion

Die Motion 24.3516 will Transitzonen an den Grenzen einrichten, in denen Asylverfahren stattfinden sollen. Asylgesuche wären nur dort möglich und die Einreise erst nach einem positiven Entscheid erlaubt. Amnesty International lehnt dies entschieden ab, da solche Zonen den Zugang zum Asylverfahren bedrohen und gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstossen . Zudem droht eine menschenrechtswidrige Internierung von Schutzsuchenden in geschlossenen Einrichtungen ohne Klarheit über die Verfahrensdauer. Eine ähnliche Motion (24.3058) wurde bereits in der Wintersession 2024 abgelehnt, seither gab es keine nennenswerte Veränderung der Sachlage.

Amnesty International fordert den Nationalrat daher auf, die Motion 24.3516 abzulehnen und eine faires Asylverfahren sicherzustellen.

Gender Justice

Machbarkeitsstudie bezüglich statistischer Erfassung von Femiziden
Nationalrat – Donnerstag, 13. März 2025
24.3782 / Postulat

Der Nationalrat wird über Postulat 24.3782 entscheiden, das den Bundesrat mit einer Studie zur statistischen Erfassung von Femiziden beauftragen will. Da das Postulat bekämpft wurde, muss der Nationalrat darüber beraten.

Mit dem Begriff Femizid wird die vorsätzliche Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts bezeichnet. Femizid ist eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt und unterscheidet sich von anderen Tötungen durch die zugrunde liegenden Motive, die mit Sexismus, Frauenfeindlichkeit und patriarchalischen Strukturen zusammenhängen. Während verschiedene Länder bereits spezifische Gesetze erlassen haben, ist die Schweiz im internationalen Vergleich wenig fortgeschritten im Kampf gegen Femizid. Die systematische Erfassung wäre ein erster, zwingender Schritt, um den Umfang des Problems zu bestimmen und angemessene Massnahmen zu treffen.

Amnesty International empfiehlt dem Nationalrat, das Postulat 24.3782 zu unterstützen.

 

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