Die Durchsetzungsinitiative verunmöglicht es den Gerichten, im Einzelfall persönlichen Umständen Rechnung zu tragen © Norbert Aepli
Die Durchsetzungsinitiative verunmöglicht es den Gerichten, im Einzelfall persönlichen Umständen Rechnung zu tragen © Norbert Aepli

Nein zur Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» Die wichtigsten Argumente gegen die Durchsetzungsinitiative

22. Januar 2016
Die Annahme der Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» («Durchsetzungsinitiative») muss mit allen Mitteln verhindert werden: Sie ist ein massiver Angriff auf den Rechtsstaat und auf die Menschenrechte von Ausländerinnen und Ausländern.
Die Durchsetzungsinitiative greift die Grundpfeiler unseres Rechtsstaats an
  • Sie will die gesetzgebende Gewalt über die Rechtsprechung stellen und damit die Gewaltenteilung aushebeln.
  • RichterInnen hätten keinen Ermessensspielraum mehr: Sie könnten den Umständen einer Straftat und der Lebenssituation der straffälligen Person nicht mehr Rechnung tragen.
  • Die Initiative umgeht zudem den Gesetzgebungsprozess, indem sie detaillierte gesetzliche Regelungen in die Verfassung schreiben will.
  • Die Initiative greift in die Einzelfallgerechtigkeit ein, die jeder Person vor Gericht zusteht.
  • Sie verstösst gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung («Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich»): SchweizerInnen und Personen ohne Schweizer Pass würden selbst bei Bagatellfällen vor Gericht ungleich behandelt. Der Grundsatz der Gleichbehandlung würde damit verletzt.
Die Durchsetzungsinitiative will die Schweiz aus dem internationalen Menschenrechtsschutz herauslösen
  • Mit der Durchsetzungsinitiative wollen die Initianten letztlich die Europäische Menschenrechtskonvention diskreditieren und den Austritt der Schweiz aus dem Europarat veranlassen. Die Schweiz würde damit jede Glaubwürdigkeit verlieren und ein verheerendes Signal an andere Länder und an die internationale Gemeinschaft senden.
Die Durchsetzungsinitiative ist nicht umsetzbar
  • Ausländerinnen und Ausländer, die schon heute nicht ausgeschafft werden können – zum Beispiel weil die Schweiz kein Rückübernahmeabkommen mit ihrem Herkunftsland hat – könnten auch nach der Annahme der Initiative nicht aus dem Land gewiesen werden.
Die Durchsetzungsinitiative verbessert die Sicherheit in keiner Weise
  • Sie wird im Gegenteil noch mehr Sans-papiers, NothilfeempfängerInnen und Menschen in prekären Lebenslagen schaffen, welche aus purer Not Straftaten begehen könnten.
Die Durchsetzungsinitiative geht weit über die 2010 vom Volk angenommene «Ausschaffungsinitiative» hinaus
  • Sie betrifft bei weitem nicht nur «Kriminelle», sondern potentiell die ganze ausländische Bevölkerung und damit jede vierte Person in der Schweiz.
  • Sie weitet den Deliktkatalog, der schon in der «Ausschaffungsinitiative» figurierte, massgeblich aus und schafft einen Ausschaffungsautomatismus.
  • Sie hat neue Delikte hinzugefügt und die Dauer der Ausschaffung verlängert.
Die Durchsetzungsinitiative stellt den Volkswillen über das Völkerrecht
  • Das Volk hat nicht immer Recht, sondern ist wie jedes andere staatliche Organ an übergeordnetes Recht gebunden. Wer behauptet, der Volkswille stehe über dem Recht, kann ebensogut behaupten, dass Richter nicht daran gebunden sind, geltendes Recht anzuwenden.
  • Wenn der Volkswille mehr gilt als das Recht, könnte eine Mehrheit des Schweizer Volkes genauso gut beschliessen, dass TessinnerInnen oder Romands inskünftig kein Stimmrecht mehr haben.
Die Durchsetzungsinitiative verletzt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit
  • Bagatelldelikte würden mit den gleichen Massnahmen bestraft wie schwere Verbrechen, ein Ladendiebstahl hätte genau gleich wie eine Vergewaltigung oder ein Mord die Ausschaffung zur Folge: Das widerspricht dem in der Verfassung und in den internationalen Menschenrechten verankerten Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
  • Der Ausschaffungsautomatismus lässt nicht zu, dass mildernde Umstände oder Härtefälle beim Strafmass mit berücksichtigt würden.

Eine Minute mit Manon : «Nein zur durchsetzungsinitiative»