Die Europäische Union läuft Gefahr, die Türkei bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen zu unterstützen. Wie der neue Amnesty-Bericht «Europe’s Gatekeeper» zeigt, haben türkische Behörden seit dem Beginn der Verhandlungen über den Aktionsplan mit der EU im September Hunderte Flüchtlinge an der Westgrenze der Türkei festgenommen und in mehr als 1000 Kilometer entfernte Haftzentren im Süden und Osten des Landes gebracht.
Es ist schockierend, dass die Europäische Union Haftzentren für Flüchtlinge in der Türkei finanziert. Cyrielle Huguenot
«Die Türkei stellt die Menschen vor eine unmenschliche Wahl: Entweder sie bleiben auf unbestimmte Zeit in Haft, oder sie kehren in ihre Heimatländer Syrien und Irak zurück, wo ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen. Damit verstösst die Türkei eindeutig gegen internationales Recht und handelt im starken Kontrast zu ihrer bisherigen sehr humanitären Haltung», sagt Cyrielle Huguenot von Amnesty International Schweiz. «Flüchtlinge berichteten Amnesty International, dass ihnen in der Haft jeder Kontakt zur Aussenwelt verboten wurde. Deswegen rechnen wir auch mit einer hohen Dunkelziffer an ähnlichen Fällen».
Flüchtlinge zeigten Amnesty Hinweisschilder von Betten und Regalen aus einem Haftzentrum, in dem sie gefangen gehalten wurden. Diese belegen, dass die Einrichtung mit EU-Geldern betrieben wird. «Es ist schockierend, dass die Europäische Union Haftzentren für Flüchtlinge in der Türkei finanziert», so Cyrielle Huguenot. «EU-Vertreter in Ankara bestätigten Amnesty International ausserdem, dass es sich bei sechs geplanten Aufnahmezentren für Flüchtlinge, die die Türkei im Rahmen des neuen Aktionsplanes mit EU-Mitteln einrichtet, in Wahrheit um Haftzentren handelt.»
Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag fordert Amnesty International die EU-Staaten dazu auf, eine unabhängige Überwachung des EU-Türkei Aktionsplanes einzurichten. «Die Türkei muss jetzt aufhören, Flüchtende unrechtmässig festzuhalten und sie zu zwingen, dorthin zurückzukehren, wo ihr Leben in Gefahr ist», sagt Cyrielle Huguenot. «Solange dies nicht der Fall ist, muss die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Türkei in der Flüchtlingsfrage auf Eis gelegt werden.»