amnesty-borodyanka.holoscribe.site © Crisis Evidence Lab  Amnesty International
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Ukraine – Neue Untersuchung Russische Streitkräfte müssen für Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden

Medienmitteilung 6. Mai 2022, London/Bern – Medienkontakt
Nach umfangreichen Recherchen vor Ort stellt Amnesty International einen neuen Bericht zum Krieg in der Ukraine vor. Die Menschenrechtsorganisation fordert anlässlich der Veröffentlichung, dass die russischen Streitkräfte wegen der in der Region nordwestlich von Kiew begangenen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden.

Der Bericht He‘s Not Coming Back: War Crimes in Northwest Areas of Kyiv Oblast (PDF,  44 p.) basiert auf Dutzenden von Interviews und einer umfangreichen Auswertung von Beweismaterial. Amnesty International hat rechtswidrige Luftangriffe auf Borodjanka sowie aussergerichtliche Hinrichtungen in anderen Städten und Dörfern dokumentiert, darunter Butscha, Andrijiwka, Zdvyzhivka und Worsel.

Eine interaktive Website zeigt die wahllosen russischen Luftangriffe in Borodjanka auf: amnesty-borodyanka.holoscribe.site

Eine Delegation von Amnesty International unter der Leitung der Generalsekretärin der Organisation besuchte in den vergangenen Tagen die Region, sprach mit Überlebenden und Familien von Opfern und traf sich mit hochrangigen ukrainischen Behördenvertreter*innen.

«Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Verantwortlichen, auch diejenigen an der Spitze der Befehlskette, vor Gericht gestellt werden.» Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International

«Das Muster der von den russischen Streitkräften begangenen Verbrechen, das wir dokumentiert haben, umfasst sowohl rechtswidrige Angriffe als auch vorsätzliche Tötungen von Zivilpersonen», sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

«Wir haben Familien getroffen, deren Angehörige bei den grausamen Angriffen getötet wurden und deren Leben durch die russische Invasion für immer geprägt sein wird. Wir unterstützen ihre Forderungen nach Gerechtigkeit und fordern die ukrainischen Behörden, den Internationalen Strafgerichtshof und andere auf, dafür zu sorgen, dass die Beweise gesichert werden, für eine künftige Verfolgung von Kriegsverbrechen.»

«Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Verantwortlichen, auch diejenigen an der Spitze der Befehlskette, vor Gericht gestellt werden.»

Amnesty International hat herausgefunden, dass in Borodjanka mindestens 40 Zivilpersonen bei unverhältnismässigen und wahllosen Angriffen getötet wurden. Dabei wurde ein ganzes Wohnviertel verwüstet und Tausende Menschen obdachlos.

In Butscha und mehreren anderen Städten und Dörfern nordwestlich von Kiew hat Amnesty International 22 Fälle rechtswidriger Tötungen durch russische Streitkräfte dokumentiert. Dabei handelt es sich offensichtlich grösstenteils um aussergerichtliche Hinrichtungen.

Während der zwölftägigen Recherchen befragten Mitarbeiter*innen von Amnesty International Einwohner*innen von Butscha, Borodjanka, Novyi Korohod, Andrijiwka, Zdvyzhivka, Worsel, Makariw und Dmytrivka. Sie besuchten mehrere Orte, an denen Massentötungen stattgefunden haben.

Insgesamt befragte das Amnesty-Rechercheteam 45 Personen, die entweder direkte Zeug*innen der rechtswidrigen Tötungen ihrer Verwandten und Nachbar*innen durch russische Truppen waren oder aus erster Hand davon wussten. Ausserdem sprachen die Ermittler*innen mit 39 weiteren Personen, die Luftangriffe auf acht Wohngebäude entweder direkt miterlebt oder aus erster Hand davon erfahren hatten.

Kriegsverbrechen müssen strafrechtlich verfolgt werden

Aussergerichtliche Hinrichtungen in internationalen bewaffneten Konflikten stellen vorsätzliche Tötungen und Kriegsverbrechen dar. Wahllose und unverhältnismässige Angriffe, die in krimineller Absicht durchgeführt werden, sind ebenfalls Kriegsverbrechen.

Nach der Doktrin der Befehlsverantwortung sind auch Vorgesetzte – einschliesslich Befehlshabende und zivile Führungskräfte wie Minister*innen und Staatsoberhäupter – strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie von den Kriegsverbrechen ihrer Streitkräfte wussten oder gewusst haben müssen, aber nicht versucht haben, diese zu stoppen oder die Verantwortlichen zu bestrafen.

Jegliche Prozesse oder Mechanismen, die für Gerechtigkeit sorgen können, sollten so umfassend wie möglich angewendet werden. Sie sollten sicherstellen, dass alle Täter*innen sämtlicher Konfliktparteien, die in der Ukraine Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und das Verbrechen der Aggression begangen haben, in fairen Verfahren und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe vor Gericht gestellt werden.  Darüber hinaus müssen die Rechte der Betroffenen bei der Untersuchung und Verfolgung internationaler Verbrechen im Vordergrund stehen, und alle Justizmechanismen sollten einen Ansatz verfolgen, der die Überlebenden in den Mittelpunkt stellt.

Eine englischsprachige Dokumentation von Amnesty International über die während des Krieges in der Ukraine begangenen Menschenrechtsverletzungen und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht finden Sie hier auf amnesty.org.