Das ungarische Parlament hat am 5. Mai die Erklärung abgegeben, dass das Land die Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen nicht ratifizieren werde. Ungarn hat zwar 2014 die sogenannte Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) unterzeichnet, sie wurde jedoch – wegen fehlender parlamentarischer Genehmigung – nicht Teil der nationalen Gesetzgebung.
David Vig, Geschäftsführer von Amnesty International für Ungarn, sagte dazu: «Seit Beginn der Covid-19-Ausgangsbeschränkungen haben sich die gemeldeten Vorfälle häuslicher Gewalt in Ungarn verdoppelt. Die Entscheidung des ungarischen Parlaments ist extrem gefährlich und bringt nicht nur Frauen und Mädchen in Gefahr, sondern sendet auch eine gefährliche Botschaft an die Täter, dass ihre Taten nicht strafrechtlich verfolgt werden.»
Schon vor der COVID-19-Pandemie hatte es die Regierung verabsäumt, Gewalt gegen Frauen angemessen zu verhindern und zu bekämpfen. Die Bilanz der Ermittlungen und Strafverfolgung ist beschämend.
Die ungarische Regierung hat den Druck der Zivilgesellschaft zur Ratifizierung der Konvention dennoch ignoriert und Kritik als «politisches Jammern» bezeichnet. In einem Regierungserlass, der am Abend des 4. Mai verabschiedet wurde, hiess es, dass die Polizei trotz des gesundheitlichen Notstands anordnen kann, dass sich Täter von den Opfern fernhalten und diese eine alternative Unterkunft zur Verfügung gestellt werden muss.
«Die Behauptung der Regierung, dass die Konvention ,illegale Migration‘ unterstütze und 'gefährliche Geschlechterideologien‘ vorschreibe, sind ein Ablenkungsversuch: Die Aufmerksamkeit soll von ihren eigenen Verfehlungen und von der tragischen Realität jener Frauen und Mädchen, die mit Missbrauch leben müssen, ablenken», so David Vig. «Ungarn muss diese Erklärung widerrufen und die Istanbul-Konvention dringend ratifizieren. Es müssen alle notwendigen Schritte unternommen werden, um Frauen und Mädchen angemessen vor Gewalt und Misshandlung zu schützen insbesondere während des Kampfes gegen die Covid-19-Pandemie.»