Maria Kolesnikowa war das Gesicht der friedlichen Proteste von 2020. Die willkürliche strafrechtliche Verfolgung und politisch motivierte Inhaftierung von ihr und ihrem Kollegen Maxim Snak im vergangenen Jahr sollten eine abschreckende Wirkung für die vielen mutigen Protestierenden haben, sagt Bruce Millar, stellvertretender Direktor für Europa und Zentralasien bei Amnesty International.
«Die heutige Verurteilung soll den Millionen von Menschen, für die sie sprachen, nun endgültig die Hoffnung auf friedliche Veränderungen und die Respektierung ihrer Menschenrechte nehmen. Die beiden werden voraussichtlich viele Jahre ihres Lebens in Haft verbringen, weil sie sich gegen Alexander Lukaschenko und die repressiven Kräfte seiner Regierung gestellt haben. Die Urteile müssen aufgehoben werden.»
Amnesty International fordert die sofortige Freilassung von Maria Kolesnikowa und Maxim Snak sowie hunderter weiterer Menschen, die in Belarus wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.
«Die internationale Gemeinschaft muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um Druck auf die Regierung von Alexander Lukaschenko auszuüben, damit sie das grob rechtswidrige Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und Andersdenkende in Belarus sofort beendet.»
Hintergrund
Hunderttausende Menschen gingen in ganz Belarus auf die Strasse, um gegen die Ergebnisse der weithin umstrittenen Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 zu protestieren. Der Amtsinhaber Alexander Lukaschenko behauptete einen Erdrutschsieg errungen zu haben, während die inzwischen im Exil lebende Swetlana Tichanowskaja als beliebte Kandidatin für Protestwählende gilt. Maria Kolesnikowa war ihre engste Begleiterin im Wahlkampf und eine informelle Anführerin der folgenden friedlichen Proteste.
Maria Kolesnikowa wurde am 7. September 2020 in Minsk von Männern in Zivil entführt, an die Grenze zur Ukraine gebracht und aufgefordert, das Land zu verlassen. Sie weigerte sich und zerriss ihren Reisepass. Als Reaktion darauf erhoben die belarussischen Behörden erfundene Anklagen gegen sie und Maxim Snak, der zwei Tage später festgenommen wurde.
Am 6. September 2021 verurteilte das Minsker Regionalgericht Maria Kolesnikowa und Maxim Snak, Mitglieder des Koordinierungsrats der Opposition und Mitarbeitende des inhaftierten Präsidentschaftskandidaten Viktor Babarika, zu elf bzw. zehn Jahren Haft. Das Verfahren, das am 4. August 2021 begann, wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt, alle Fallmaterialien wurden geheim gehalten. Alle Prozessbeteiligten, auch Anwält*innen, mussten eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben.
Maria Kolesnikowa und Maxim Snak wurden der «Verschwörung zur Machtergreifung mit verfassungswidrigen Mitteln» (Art. 357 Abs. 1 belarussisches Strafgesetzbuch) und der «Gründung und Führung einer extremistischen Organisation» (Art. 361-1 (1)) schuldig gesprochen und sollen unter Nutzung von Massenmedien und des Internets zu Handlungen aufgerufen haben, «die darauf abzielen, der nationalen Sicherheit zu schaden» (Art. 361 Abs. 3).