In Folge der blutigen Unterdrückung der Massenproteste im Iran haben die iranischen Behörden auch die Kontrolle kritischer Stimmen im Ausland verschärft und gehen repressiv gegen Personen vor, die als regierungsfeindlich eingestuft werden. Amnesty International liegen Informationen vor, dass Personen, die im Ausland um Asyl ersucht haben, als Regierungsgegner*innen erachtet werden könnten und bei einer Rückkehr gefährdet sind, auch wenn sie kein besonderes Profil aufweisen.
«Es kann nicht sein, dass die Behörden weiterhin Menschen in ein Land ausschaffen wollen, von dem sie selbst sagen, dass es die Menschenrechte so schwerwiegend verletzt.» Alicia Giraudel, Asylrechtsexpertin bei Amnesty Schweiz
«Wir fordern von der Schweiz Kohärenz in ihrer Iran-Politik. Es kann nicht sein, dass die Behörden weiterhin Menschen in ein Land ausschaffen wollen, von dem sie selbst sagen, dass es die Menschenrechte so schwerwiegend verletzt», kritisiert Alicia Giraudel, Asylrechtsexpertin bei Amnesty Schweiz.
«Trotz der massiven Verschlechterung der Menschenrechtslage hält das Staatssekretariat für Migration weiter an Rückführungen in das Land fest. Rund 300 Geflüchtete aus dem Iran leben derzeit mit einem Wegweisungsentscheid in der Schweiz, viele von ihnen in der Nothilfe. Statt diese Menschen monate- oder sogar jahrelang in Ungewissheit und unter prekären Umständen hier verharren zu lassen, sollte ihnen dringend Schutz und die Möglichkeit der Integration geboten werden.»
Gefahr der Verfolgung
«Eine Zwangsrückführung in den Iran verstösst in der momentanen Krise gegen das völkerrechtliche zwingende Non-Refoulement-Gebot. Amnesty International ruft alle Staaten auf, auch von der Deportation von iranischen Staatsangehörigen in Drittländer abzusehen, in denen die Gefahr einer Ausschaffung in den Iran besteht», sagte Alicia Giraudel.
Die aktuelle Lage im Iran ist äusserst besorgniserregend. Seit Monaten protestieren viele mutige Menschen für die Rechte von Frauen, für Freiheit und für Demokratie. Die Regierung unterdrückt die Proteste brutal und verurteilt Demonstrant*innen und Kritiker*innen willkürlich zum Tode.
Amnesty International warnt davor, dass Personen, die sich an den jüngsten Protesten beteiligt haben und aus dem Land geflohen sind, eine begründete Furcht haben, bei einer Rückkehr verfolgt zu werden. Auch weitere Personen, die ins Ausland geflüchtet sind, könnten von den iranischen Behörden als «ausländische Feinde» betrachtet werden.
Amnesty International ruft die Asylbehörden auf, allen Geflüchteten aus dem Iran Schutz zu gewähren. Das betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert sind, Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen oder Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung Nachteile befürchten müssen.
Schweiz sollte sich vorbehaltslos für Menschenrechte im Iran aussprechen
Meinungsäusserungsfreiheit und das Engagement gegen die Todesstrafe sind Schwerpunkte der Schweizer Leitlinien Menschenrechte 2021-2024. Die offizielle Schweiz sollte sich nicht nur hinter verschlossenen Türen für die Menschenrechte im Iran einsetzen, sondern auch konsequent öffentlich für die iranische Zivilgesellschaft einstehen, etwa durch Prozessbeobachtungen, Gefängnisbesuche sowie diplomatische Demarchen.
Amnesty International ruft die Schweiz zudem dazu auf, die unabhängige Untersuchungskommission des Uno-Menschenrechtsrats tatkräftig zu unterstützen. Diese hat den Auftrag, Beweise für Menschenrechtsverletzungen zu sammeln und zu analysieren sowie im Hinblick auf etwaige Strafverfolgungsverfahren dauerhaft zu sichern. Die Untersuchungskommission könnte einen grundlegenden Wandel in der Herangehensweise der internationalen Gemeinschaft an die systematische Straflosigkeit markieren, die seit langem Verbrechen gegen das Völkerrecht und andere schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran begünstigt. Darüber hinaus kann die Schweiz auch von sich aus Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen identifizieren, nach den Prinzipien der universellen Gerichtsbarkeit Strafuntersuchungen einleiten und Haftbefehle ausstellen.