Baran Saedi, Soma Mohammadrezaei, Leila Pashaei, Sohaila Motaei © Private
Baran Saedi, Soma Mohammadrezaei, Leila Pashaei, Sohaila Motaei © Private

Iran Behörden nehmen Frauen willkürlich fest und verhängen Körperstrafen und Todesurteile

Die iranischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen Frauenrechtlerinnen, Journalistinnen, und andere Aktivistinnen, die Gleichberechtigung fordern oder sich gegen den Kopftuchzwang wehren, verschärft und setzen dabei willkürliche Inhaftierungen, ungerechtfertigte Strafverfolgung, Auspeitschungen und sogar die Todesstrafe ein, um die iranische Frauenbewegung niederzuschlagen.

Seit dem Internationalen Frauentag am 8. März haben die iranischen Behörden mindestens fünf Frauenrechtsaktivistinnen willkürlich festgenommen. Diese Festnahmen erfolgen inmitten eines härteren Vorgehens, bei dem Frauen festgenommen wurden, weil sie ohne den obligatorischen Hidschab auftraten. Auch ihre Konten in den Sozialen Medien wurden geschlossen. Im Vorfeld des Weltfrauentags liessen die Behörden einen Sänger mit 74 Hieben auspeitschen, weil er ein Protestlied gegen die diskriminierenden Kopftuchgesetze des Irans gesungen hatte. Im Februar 2025 verurteilten sie eine Frauenrechtsaktivistin zum Tode.

«Seit dem ‚Frau, Leben, Freiheit‘-Aufstand von 2022 betrachten die iranischen Behörden den weit verbreiteten Widerstand von Frauen und Mädchen, die ihre Rechte einfordern, als eine existenzielle Bedrohung für das politische und sicherheitspolitische Establishment. Anstatt gegen die systemische Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorzugehen, versuchen sie, die iranische Frauenbewegung zu zerschlagen», sagte Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

«Im Rahmen wichtiger anstehender Entscheide zum Iran im Uno-Menschenrechtsrat, muss sich die internationale Gemeinschaft gegen Straflosigkeit und für die Rechte von Frauen und Mädchen in diesem Land einsetzen. Die Staatengemeinschaft muss vorhandene Druckmittel einsetzen, um die iranischen Behörden dazu zu bringen, die Schikanen gegen Frauenrechtsaktivist*innen einzustellen und die willkürlich Inhaftierten unverzüglich freizulassen. Sie müssen auch rechtliche Wege beschreiten, um iranische Regierungsvertreter*innen zur Rechenschaft zu ziehen, die im begründeten Verdacht stehen, weit verbreitete und systematische Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen zu begehen.»

Die Mandate der Untersuchungsmission und des Sonderberichterstatters für den Iran sollen auf der laufenden 58. Tagung des UN-Menschenrechtsrats vom 24. Februar bis 4. April 2025 erneuert werden. 

Frauenrechtsaktivist*innen wegen Teilnahme am Weltfrauentag festgenommen

Im Vorfeld des Weltfrauentages drohten die iranischen Behörden Frauen und warnten sie davor, sich zu versammeln und ihre Rechte einzufordern.

Seit dem 10. März 2025 haben Angehörige des Geheimdienstministeriums vier kurdische Frauenrechtsaktivistinnen festgenommen, nachdem sie an Veranstaltungen zum Weltfrauentag in der Provinz Kurdistan teilgenommen hatten. Bei ihnen handelt es sich um Leila Pashaei, Baran Saedi, Sohaila Motaei und Souma Mohammadrezaei. Sie werden in einem Haftzentrum in Sanandaj in der Provinz Kurdistan willkürlich in Einzelhaft gehalten und sind ohne ihre Rechtsbeistände verhört worden.

Baran Saedi wurde am 10. März 2025 in der Wohnung ihrer Familie in Sanandaj festgenommen. Sie wurde bereits während der Proteste «Frau, Leben, Freiheit» im Jahr 2022 inhaftiert, nach zwei Monaten aber gegen Kaution freigelassen.

Souma Mohammadrezaei wurde am 10. März an ihrem Arbeitsplatz in Sanandaj festgenommen. Sicherheitskräfte hatten sie zuvor mehrfach vorgeladen und bedroht, weil sie sich für die Rechte der Frauen einsetzt.

Sohaila Motaei wurde am Abend des 10. März in Dehgolan festgenommen. Zuvor war sie im Januar 2025 kurzzeitig inhaftiert worden, weil sie gegen die Todesurteile mehrerer inhaftierter Frauen protestiert hatte. Sie wurde auch während der Proteste im Jahr 2022 festgenommen und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, unter anderem wegen «Verbreitung von Propaganda gegen das System».

Leila Pashaei wurde am 10. März 2025 in ihrem Haus in Sanandaj festgenommen, nachdem sie sich während einer Veranstaltung zum Weltfrauentag gegen Kopftuchzwang, Kinderheirat, Gewalt gegen Frauen und Hinrichtungen von Frauen im Iran ausgesprochen hatte. In ihrer Rede sagte sie: «Die Frauen im Iran werden von Behörden gefangen gehalten, die die Macht der Frauen fürchten... Die Frauenbewegung hat den Punkt überschritten, an dem es ein Zurück gibt... Frauen weltweit, insbesondere im Nahen Osten, werden nie wieder zum Schweigen gebracht werden.»

Muster der Unterdrückung und Einschüchterung

Die jüngsten Festnahmen erfolgten im Rahmen einer breit angelegten Kampagne zur Unterdrückung von Frauenrechtsaktivismus und Widerstand gegen den Kopftuchzwang. Aktivist*innen, Journalist*innen, Sänger*innen und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden willkürlich festgenommen, gefoltert, ausgepeitscht, unter Anwendung von Zwang verhört, bedroht und ihre Konten in den sozialen Medien geschlossen.

Am 11. März 2025 wurde Nina Golestani, eine Schriftstellerin und Feministin, in ihrem Elternhaus in der Provinz Gilan willkürlich von der Spionageabwehr der Revolutionsgarden (IRGC) festgenommen. Laut einer Erklärung ihres Ehemanns Javad Sajadi Rad auf Instagram stürmten IRGC-Angehörige das Haus ihrer Eltern, durchsuchten es und beschlagnahmten ihre persönlichen Gegenstände. Dann nahmen die IRGC-Angehörigen sie mit, um sie zu verhören und brachten sie anschliessend in das Lakan-Gefängnis in Rasht in der Provinz Gilan. Am 16. März wurde sie gegen Kaution freigelassen.

Am 7. März 2025, einen Tag nachdem mehrere Journalistinnen ohne Kopftuch an einer Medienveranstaltung in Teheran teilgenommen hatten, veröffentlichte die Nachrichtenagentur der Justiz Mizan eine Erklärung, in der sie das Verhalten der Frauen als «gegen den öffentlichen Anstand» bezeichnete. Die Journalistinnen wurden im Büro des Staatsanwalts im Teheraner Evin-Gefängnis verhört und es wurden Gerichtsverfahren gegen sie eingeleitet.

Am 5. März 2025 musste der Sänger Mehdi Yarrahi 74 Peitschenhieben über sich ergehen lassen, die im Zusammenhang mit seinem Lied  «Dein Kopftuch(Roosarito, gegen ihn verhängt worden waren, das er zum ersten Jahrestag der Proteste «Frau, Leben, Freiheit» geschrieben hatte.

Am 27. Februar 2025 wurde die Sängerin Hiwa Seyfizade während eines Auftritts in Teheran festgenommen. Ein Beamter teilte mit, dass sie wegen «unerlaubten Singens y festgenommen werde, denn allein zu singen sei für Frauen im Iran verboten. Am 1. März wurde sie gegen Kaution freigelassen. Ihr Instagram-Konto ist seither geschlossen, und zwei Posts der Polizei für öffentliche Sicherheit dort lauten: «Diese Seite wurde [auf Anordnung der Justizbehörden] wegen der Erstellung von kriminellen Inhalten gesperrt.»

Im Februar 2025 wurde die inhaftierte Frauenrechtsaktivistin Sharifeh Mohammadi zum zweiten Mal wegen «bewaffneter Rebellion gegen den Staat» (baghi) zum Tode verurteilt, und zwar ausschliesslich im Zusammenhang mit ihren Menschenrechtsaktivitäten, einschliesslich der Unterstützung von Frauenrechten. Der Oberste Gerichtshof hatte im Oktober 2024 das frühere Todesurteil eines Revolutionsgerichts aufgehoben und den Fall an die unteren Gerichte zurückverwiesen.

Am 14. Dezember 2024 wurde die Sängerin Parastoo Ahmadi festgenommen, nachdem sie live ein Konzert übertrug, bei dem sie ohne Kopftuch und in einem schulterfreien Kleid erschien. Das Video ging viral und wurde zweieinhalb Millionen Mal angesehen. Einige Stunden später kam sie gegen Kaution wieder frei.

Am 13. Dezember 2024 wurde Reza Khandan, ein Menschenrechtsaktivist, festgenommen, um eine unrechtmässige Haftstrafe zu verbüssen, die im Zusammenhang mit seiner Kampagne gegen den Kopftuchzwang gegen ihn verhängt wurde. Reza Khandan, der Ehemann der Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, wurde im Januar 2019 von einem Revolutionsgericht zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Hintergrund

Irans Kopftuchzwang, der für Mädchen ab sieben Jahren gilt, verletzt eine ganze Reihe von Rechten, darunter das Recht auf Gleichheit, freie Meinungsäusserung, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Privatsphäre, Gleichheit und Nichtdiskriminierung sowie persönliche und körperliche Autonomie. Im Zuge dieser Gesetze kommt es auch immer wieder zu Folter oder anderen Formen der Misshandlung.

In ihrem Bericht vom März 2024 stellte die Uno-Untersuchungskommission fest, dass die iranischen Behörden «eine Reihe umfassender, anhaltender und fortgesetzter Handlungen begangen haben, die einzeln Menschenrechtsverletzungen darstellen, die sich gegen Frauen [und] Mädchen richten ... und die in ihrer Gesamtheit nach Einschätzung der Untersuchungskommission Verfolgung darstellen.»