Nach einem Beschuss durch israelische Artillerie steigt Rauch über den libanesischen Dörfern Adeisseh und Kfar Kila an der Grenze zu Israel auf. © AFP via Getty Images
Nach einem Beschuss durch israelische Artillerie steigt Rauch über den libanesischen Dörfern Adeisseh und Kfar Kila an der Grenze zu Israel auf. © AFP via Getty Images

Israel / Libanon «Evakuierungswarnungen» des israelischen Militärs irreführend und unzureichend

Medienmitteilung 10. Oktober 2024, London/Bern – Medienkontakt
Die Evakuierungswarnungen des israelischen Militärs an die Bewohner*innen der südlichen Vororte von Beirut und des Südlibanon waren unzureichend und in einigen Fällen auch irreführend, erklärt Amnesty International. Diese Warnungen entbinden Israel nicht von seinen Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht, niemals Zivilpersonen anzugreifen und alle möglichen Massnahmen zu ergreifen, um den Schaden für sie zu minimieren, erklärte die Menschenrechtsorganisation.

Nach dem humanitären Völkerrecht sind Konfliktparteien eindeutig verpflichtet, bei Angriffen alle erdenklichen Vorkehrungen zu treffen, um Schaden von der Zivilbevölkerung abzuwenden oder zumindest so gering wie möglich zu halten; dazu gehört auch, die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten im Voraus wirksam vor Angriffen zu warnen, es sei denn, die Umstände lassen dies nicht zu.

Die Karte zeigt von den Evakuierungswarnungen betroffene Städte und Dörfer im Südlibanon. © Openstreet Map, Ahmad Baydoun

«Die Warnungen des israelischen Militärs an die Bewohner von Dahieh, dem dicht besiedelten südlichen Vorort von Beirut, waren unzureichend. Unsere Analyse zeigt, dass die vom israelischen Militär herausgegebenen Warnungen nicht nur irreführende Karten enthielten, sondern auch kurzfristig – in einem Fall weniger als 30 Minuten vor Beginn der Angriffe – mitten in der Nacht über soziale Medien herausgegeben wurden, als viele Menschen schliefen, offline waren oder die Medienberichte nicht verfolgten», sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

«Darüber hinaus ist die Evakuationswarnung an die Bewohner*innen ganzer Städte und Dörfer in Südlibanon, eine allzu allgemeine Warnung, die unangemessen ist und die Frage aufwirft, ob damit die Voraussetzungen für Massenvertreibungen geschaffen werden sollen.»

«Unabhängig von der Wirksamkeit der Warnungen bedeutet dies nicht, dass Israel alle verbleibenden Zivilist*innen als Ziele behandeln kann. Menschen, die sich dafür entscheiden, in ihren Häusern zu bleiben, oder die nicht in der Lage sind, diese zu verlassen – etwa weil Mitglieder ihres Haushalts aufgrund einer Behinderung, ihres Alters oder aus anderen Gründen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind – stehen weiterhin unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts. Israel muss zu jeder Zeit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und alle erdenklichen Vorkehrungen treffen, um den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten.»

Nach Angaben des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte (OCHA) ist ein Viertel des libanesischen Territoriums von den Evakuierungswarnungen betroffen