Die israelischen Militäroperationen im Gazastreifen gehen weiter, und mit ihnen die Zerstörung ziviler Infrastruktur, wie bei diesem Angriff auf das Flüchtlingslager Nuseirat am 6. Mai.  © Ali Jadallah/Anadolu via Getty Images
Die israelischen Militäroperationen im Gazastreifen gehen weiter, und mit ihnen die Zerstörung ziviler Infrastruktur, wie bei diesem Angriff auf das Flüchtlingslager Nuseirat am 6. Mai. © Ali Jadallah/Anadolu via Getty Images

Israel / Besetztes palästinensisches Gebiet Israel muss Pläne zu Annexion und Massenvertreibung sofort aufgeben

Medienmitteilung 7. Mai 2025, London/Bern – Medienkontakt
Die israelische Regierung muss ihre kürzlich bekannt gewordenen Pläne für eine Ausweitung der Militäroperationen in Gaza unverzüglich aufgeben. Die Annexion von Land und die Zwangsumsiedlung von Palästinenser*innen im besetzten und belagerten Gazastreifen wäre ein weiterer schwerer Verstoss gegen das Völkerrecht, erklärte Amnesty International heute. Die Organisation beklagt auch die Massnahmen Israels zur Kontrolle und Militarisierung der Verteilung humanitärer Hilfe, an denen sich offenbar auch eine Genfer Stiftung beteiligt.

Israel verübt nach wie vor genozidale Handlungen, wohl wissend, dass den Palästinenser*innen in Gaza unwiderruflicher Schaden zugefügt wird. Jeder Schritt Israels, die palästinensische Bevölkerung in den Süden des Gazastreifens zu verlagern, sie in geschlossene Zonen zu sperren oder ihnen unmenschliche Lebensbedingungen aufzuerlegen, stellt eine illegale Umsiedlung oder Deportation dar und somit ein Kriegsverbrechen. Im Rahmen eines weit verbreiteten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung, würde es sich auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln.

«Mit der erklärten Absicht Israels, die ohnehin schon verheerende Militäroffensive auszuweiten, droht ein Todesstoss: Nach zweimonatiger vollständiger Abschottung und Belagerung und inmitten eines anhaltenden Genozids kämpfen die Palästinenser*innen im Gazastreifen ums nackte Überleben», sagte Erika Guevara Rosas, Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International.

Diese neuen Pläne zeigen Israels völlige Missachtung des Völkerrechts und die Verachtung für die Rechte der Palästinenser*innen.

Seit Oktober 2023 ist die Welt Zeuge wiederholter Wellen der Zwangsvertreibung von Palästinenser*innen in Gaza geworden. Die Art und Weise, wie diese Vertreibungswellen durchgeführt wurden, macht deutlich, wie Israel den Palästinenser*innen in Gaza Lebensbedingungen auferlegt hat, die auf ihre physische Zerstörung hinauslaufen. Gegenwärtig stehen fast 70 Prozent des Gazastreifens unter «Evakuierungsbefehl» oder sind als «Sperrzonen» ausgewiesen.

Diese neuen Pläne zeigen Israels völlige Missachtung des Völkerrechts und die Verachtung für die Rechte der Palästinenser*innen. Sie deuten darauf hin, dass die israelischen Behörden eine gravierende Eskalation planen, indem sie Gebiete einnehmen, dort eine «dauerhafte physische Präsenz» einrichten und den Grossteil der Bevölkerung auf unbestimmte Zeit vertreiben.

«Amnesty International fordert die Hamas und andere bewaffnete Gruppen erneut auf, zivile Geiseln unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Israel scheint die Freilassung von Geiseln als Vorwand zu benutzen, um weitere Verbrechen und Verstösse gegen die Palästinenser*innen und den fortgesetzten Völkermord im Gazastreifen zu rechtfertigen. Das prangern auch einige Familien der noch in Gaza festgehaltenen Geiseln an», sagte Erika Guevara Rosas.

Israels Pläne, die Verteilung humanitärer Hilfe zu kontrollieren und zu militarisieren, werden die unabhängige und unparteiische Bereitstellung lebenswichtiger Hilfe untergraben. Diese Pläne wurden von Uno-Stellen und humanitären Organisationen auf das Schärfste verurteilt. Sie weisen jeden Versuch, der Instrumentalisierung von Hilfslieferungen zurück.

Söldner zur Verteilung von Hilfsgütern

Amnesty International Schweiz ist besorgt über Medienberichte in Le Temps, wonach die in Genf ansässige «Gaza Humanitarian Foundation» bereit wäre, Söldner zu bezahlen, um die Verteilung von Hilfsgütern zu sichern.

Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs hat klar dargelegt, dass die Besetzung palästinensischen Gebiets durch Israel rechtswidrig ist. Eine Stiftung, die zur Aufrechterhaltung dieser illegalen Besatzung beiträgt, würde mutmasslich gegen das Völkerrecht verstossen. Gemäss den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte müssen auch nichtgewinnorientierte Organisationen Menschenrechtsstandards einhalten. Aufgrund der derzeit verfügbaren Informationen lässt sich nicht genau sagen, ob die von der Gaza Humanitarian Foundation erbrachten Dienstleistungen zu internationalen Verbrechen beitragen würden – doch das Risiko besteht.

Die Schweiz ist wie alle Staaten verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen durch private Akteure, einschliesslich Schweizer Unternehmen und Stiftungen, die im Ausland tätig sind, zu verhindern.

Die Schweiz ist wie alle Staaten verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen durch private Akteure, einschliesslich Schweizer Unternehmen und Stiftungen, die im Ausland tätig sind, zu verhindern. Sie sollte daher Massnahmen ergreifen, um Firmen und gemeinnützige Unternehmen, daran zu hindern, sich an der Besetzung des Gazastreifens und den dort begangenen internationalen Verbrechen zu beteiligen.

Humanitäre Hilfe als Kriegswaffe

Die andauernde Belagerung von Gaza, die seit mehr als zwei Monaten den Zugang zu lebensrettenden Hilfsgütern wie Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff vollständig blockiert, wird von Israel als Kriegswaffe und zur kollektiven Bestrafung eingesetzt. Dies ist ein eklatanter Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht, das Kollektivstrafen strikt verbietet und von allen Beteiligten verlangt, die Bereitstellung unparteiischer humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung in Not zu ermöglichen und zu erleichtern.

«Jeder Versuch, humanitäre Hilfe als Waffe einzusetzen, sie zur Zwangsvertreibung zu nutzen oder diskriminierende Zonen für die Verteilung von Hilfsgütern einzurichten, verstösst gegen das Völkerrecht und muss zurückgewiesen werden», so Erika Guevara Rosas. «Die internationale Gemeinschaft muss diese gefährlichen Pläne unmissverständlich ablehnen und Druck auf Israel ausüben, damit es seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt und den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen sicherstellt.»

Zementierung von Vertreibung und Enteignung

Die Mehrheit der Palästinenser*innen im Gazastreifen sind Nachkommen von Vertriebenen der Nakba von 1948. Sie haben bereits jahrzehntelang unter der Vertreibung und Enteignung durch Israel gelitten, während ihnen das Recht auf Rückkehr verweigert wurde. Israels jüngste Pläne drohen diese historische Ungerechtigkeit zu zementieren.

«Anstatt eine Politik zu verfolgen, die zu weiteren Vertreibungen und möglicherweise zu einer illegalen Annexion führt, muss Israel den Völkermord im Gazastreifen sofort beenden, die rechtswidrige Besetzung palästinensischen Gebiets gemäss dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2024 beenden und das Apartheidsystem gegen die Palästinenser*innen abschaffen», sagte Erika Guevara Rosas.