Die Menschenrechtsbilanz Saudi-Arabiens ist desaströs und hat sich seit der Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat weiter verschlechtert. © UN Photo
Die Menschenrechtsbilanz Saudi-Arabiens ist desaströs und hat sich seit der Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat weiter verschlechtert. © UN Photo

Amnesty International und Human Rights Watch fordern Saudi-Arabien muss den Uno-Menschenrechtsrat verlassen

Medienmitteilung 29. Juni 2016, New York/Bern – Medienkontakt
Saudi-Arabien ist für «schwerwiegende und systematische Menschenrechtsverletzungen» verantwortlich, sowohl im In- als auch im Ausland. Zudem nutzt Riad seine Position im Uno-Menschenrechtsrat aus, um die Untersuchung von mutmasslichen Kriegsverbrechen zu vereiteln. Das stellen Amnesty International und Human Rights Watch in einer gemeinsamen Erklärung fest und fordern von der Uno-Generalversammlung die Suspendierung des Landes vom Uno-Menschenrechtsrat.

Saudi-Arabien soll das Recht entzogen werden, weiterhin Mitglied des höchsten Menschenrechtsgremiums der Welt zu sein, bis das Land die unrechtmässigen Angriffe der von ihm geführten Militärkoalition im Jemen einstellt und diese unabhängig und glaubwürdig untersucht worden sind.    

«Die Glaubwürdigkeit des Uno-Menschenrechtsrates steht auf dem Spiel. Seit Saudi-Arabien dem Gremium angehört, wurde die Liste der Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land immer länger. Zudem ist die von den Saudis geführte Militärkoalition für unrechtmässige Tötungen von Zivilisten im Jemen verantwortlich. Tausende Menschen wurden verletzt. Es wäre scheinheilig, wenn die Weltgemeinschaft daraus keine Konsequenzen zieht und das Land weiter als aktives Mitglied des Menschenrechtsrates eine Untersuchung der mutmasslichen Kriegsverbrechen boykottiert», sagt Richard Bennett, Direktor des Uno-Büros von Amnesty International in New York.

«Als Mitglied des Uno-Menschenrechtsrates müsste Saudi-Arabien hohe Menschenrechtsstandards anstreben. Stattdessen bombardiert die von Riad geführte Militärkoalition im Jemen Märkte, Spitäler und Schulen. Die Koalition setzte auch wiederholt international verbotene Waffen gegen Zivilpersonen ein. Im eigenen Land wurden hunderte Hinrichtungen durchgeführt, Kinder werden nach unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt, Menschenrechtsaktivistinnen und Oppositionsmitglieder werden verfolgt und unterdrückt.»

Amnesty International und Human Rights Watch haben 69 unrechtmässige Luftangriffe der Militärkoalition dokumentiert. Einige Angriffe können als Kriegsverbrechen gewertet werden, sie galten Wohnhäusern, Märkten, Spitälern, Schulen, Geschäfte, Firmen und Moscheen. Dabei wurden mindestens 913 Zivilpersonen getötet.

Auch die Liste der Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien spricht gegen eine weitere Mitgliedschaft des Landes im Uno-Menschenrechtsrat. Obwohl Riad dem Rat im Januar 2014 beigetreten ist, unterdrückt die Regierung nach wie vor jede Form von Protest und Opposition und verurteilt Menschenrechtsaktivistinnen und Dissidenten in unfairen Prozessen an einem speziell eingerichteten Anti-Terror-Gerichtshof zu langjährigen Haftstrafen. Die Zahl der Hinrichtungen steigt: Seit der Wahl Saudi-Arabiens in den Uno-Menschenrechtsrat wurden 350 Menschen exekutiert. Ein Grossteil der Hingerichteten hatte keine schweren Verbrechen begangen, sondern war wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden.

Unter den Gefangenen im Todestrakt befinden sich auch zahlreiche junge Menschen, die zur Zeit ihrer Verurteilung noch minderjährig waren. Das ist eine klare Verletzung der Uno-Konvention über die Rechte des Kindes, die auch Saudi Arabien unterzeichnet hat. Einige dieser Todesurteile wurden auf der Basis von «Geständnissen» verhängt, die laut Aussage der Angeklagten durch Folter oder Misshandlung erpresst wurden.

Frauen werden in Saudi-Arabien per Gesetz und im Alltag weiterhin diskriminiert. Das System der Vormundschaft durch Männer stellt erwachsene Frauen minderjährigen Kindern gleich. Mitglieder der Shi’a Gemeinschaft werden systematisch und weitreichend diskriminiert. Ein prominenter Geistlicher der Shi’a Gemeinschaft wurde im Januar 2016 nach einem höchst fragwürdigen Gerichtsverfahren hingerichtet. Weitere Aktivisten der Religionsgemeinschaft wurden verhaftet; auch ihnen droht die Todesstrafe, weil sie an Protestaktionen teilgenommen hatten. Die Behörden versagen auch beim Schutz der Rechte von ausländischen WanderarbeiterInnen.

«Am meisten schockiert das Schweigen der Internationalen Gemeinschaft: Wirtschaftliche Interessen wie Waffendeals und Handelsvereinbarungen werden höher gewichtet als die Verurteilung schwerwiegender und systematischer Menschenrechtsverletzungen, die ungestraft bleiben», stellt Richard Bennett fest. 

Amnesty International und Human Rights Watch appellieren an die Mitgliedsstaaten der Uno, sich für die Suspendierung Saudi-Arabiens vom Menschenrechtsrat auszusprechen. Die Menschenrechtsorganisationen fordern zudem eine internationale und unparteiische Untersuchung der Verletzungen des humanitären Völkerrechts im Jemen.

Rechtlicher Rahmen

«Die Generalversammlung kann die Mitgliedschaftsrechte eines Mitglieds des Rates, das schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen begeht, mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Mitglieder aussetzen». Dies sieht die Resolution 60/251 der Uno-Generalversammlung vor, die zur Gründung des Uno-Menschenrechtsrats verabschiedet wurde. Libyen war 2011 das erste und bislang einzige Land, welches vom Rat suspendiert wurde.