Das saudi-arabische Innenministerium gab am 12. März die Hinrichtung von 81 Personen bekannt. Die Beschuldigten seien wegen unterschiedlicher Verbrechen zum Tode verurteilt worden, darunter die Mitgliedschaft bei Terrororganisationen, Mord, bewaffneter Raub und Waffenschmuggel. Einige der Hingerichteten waren auch wegen «Störung des sozialen Gefüges und des nationalen Zusammenhalts» oder «Teilnahme an und Anstiftung zu Sitzstreiks und Protesten» schuldig gesprochen worden – also wegen Handlungen, die durch die Rechte auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und Vereinigung geschützt sind.
«Diese Hinrichtungswelle ist angesichts des saudi-arabischen Justizsystems, das schwere Mängel aufweist, besonders erschreckend. In Saudi-Arabien werden Todesurteile nach Prozessen verhängt, die grob unfair sind und sich unter anderem auf 'Geständnisse' stützen, die unter Folter oder anderen Misshandlungen erzwungen wurden», sagte Lynn Maalouf, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
«Die Zahl der Verfahren, bei denen die Beschuldigten im Todestrakt landen, ist immer deutlich höher als öffentlich bekannt gegeben wird. Derzeit droht in Saudi-Arabien zahlreichen Menschen die Hinrichtung.» Lynn Maalouf, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
«Die schockierende Zahl vollstreckter Todesurteile offenbart auch die mangelnde Transparenz Saudi-Arabiens in Bezug auf die Todesstrafe. Wir wissen, dass die Zahl der Verfahren, bei denen die Beschuldigten im Todestrakt landen, immer deutlich höher ist als öffentlich bekannt gegeben wird. Derzeit droht in Saudi-Arabien zahlreichen Menschen unmittelbar die Hinrichtung.»
Exekutionen wegen Teilnahme an Protesten
Gemäss den Dokumenten, die Amnesty International vorliegen, waren zwei der hingerichteten 81 Männer wegen ihrer Teilnahme an Protesten gegen die Regierung zum Tode verurteilt worden. Die Zahl der aufgrund ähnlicher Anschuldigungen hingerichteten Personen könnte jedoch höher sein.
Einer der zwei Männer war Mohammad al-Shakhouri. Er war am 21. Februar 2021 vom Sonderstrafgericht wegen angeblicher Gewaltdelikte im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an regierungsfeindlichen Protesten zum Tode verurteilt worden. Während seiner Inhaftierung und seines Verhörs hatte er keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, und seine Familie durfte ihn erst acht Monate nach seiner Verhaftung besuchen. Al-Shakhouri hatte vor Gericht über Folter gesprochen. Nachdem Sicherheitsbeamte ihm wiederholt ins Gesicht geschlagen hatten, wurde ihm eine medizinische Versorgung verweigert. Al-Shakouri hatte sein «Geständnis» zurückgezgen, da es durch Folter erzwungen worden war. Dennoch verhängte der Richter ein Todesurteil.
In einem anderen Fall war As'ad Ali, der ebenfalls am12. März hingerichtet wurde, am 30. Januar 2021 vom Obersten Gerichtshof wegen ähnlicher Vorwürfen zum Tode verurteilt worden. Auch er sagte dem Gericht, dass sein «Geständnis» durch Folter erzwungen worden sei. Auch ihm sei eine medizinische Behandlung verweigert worden, obwohl er unter akuten Schmerzen litt.
Weitere Massenhinrichtungen
Saudi-Arabien hat in den letzten Jahren bereits zwei Massenhinrichtungen durchgeführt, wenn auch nicht in diesem Ausmass: Im Jahr 2019 wurden 37 Menschen hingerichtet, die meisten von ihnen schiitische Männer, die nach Scheinprozessen verurteilt wurden; 2016 wurden 47 Menschen hingerichtet, darunter der prominente schiitische Geistliche Scheich Nimr al-Nimr.
Mindestens von 30 weiteren Personen ist dokumentiert, dass ihnen die Hinrichtung droht, nachdem sie nach unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt worden waren, weil sie sich gegen die Regierung gestellt oder an staatsfeindlichen Protesten, Drogenschmuggel, gewalttätigen Angriffen oder Mord beteiligt hatten. Die Gesamtzahl der Personen, die aufgrund ähnlicher Anschuldigungen zum Tode verurteilt wurden, ist wahrscheinlich viel höher.
In allen von Amnesty International dokumentierten Fällen wurden die Personen nach äusserst unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Bei vielen gab es Foltervorwürfe, die während der Haft stattgefunden haben soll, ohne dass die Staatsanwaltschaft unter Verletzung der internationalen Verpflichtungen Saudi-Arabiens diesen Vorwürfen nachging.