Amnesty International hat dem US-Verteidigungsministerium am 28. September 2016 ein Memorandum zugestellt. Dieses umfasst die Analyse von 11 Luftangriffen der vom US Central Command (CENTCOM) geführten Koalitionskräfte und wertet Augenzeugenberichte und weitere Informationsquellen aus. Demnach wurden bei den 11 Angriffen rund 300 Zivilpersonen getötet. Das CENTCOM hat bislang nur ein einziges ziviles Opfer bei diesen Einsätzen eingestanden.
Führende lokale Menschenrechtsorganisationen (Syrian Network for Human Rights, Airwars, the Syrian Observatory for Human Rights und das Violations Documentation Center) gehen davon aus, dass seit Beginn der Einsätze möglicherweise mehr als 1000 ZivilistInnen durch Luftangriffe der US-geführten Koalition ums Leben gekommen sind. Die Untersuchung von Amnesty kommt zum Schluss, dass die Koalition es unterlassen hat, hinreichende Massnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu treffen.
Bis jetzt hat Amnesty seitens des Pentagon keine Antwort auf das Memorandum erhalten. Amnesty International fordert die US-Behörden auf, im Rahmen einer unabhängigen und unparteilichen Untersuchung Klarheit über die zivilen Opfer und mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu schaffen.
Völkerrecht verlangt Schutz der Zivilbevölkerung
Amnesty hat die Luftangriffe anhand von Augenzeugenberichten, Bildern und Videos ausgewertet. Unter den dokumentierten Fällen befinden sich drei Luftangriffe in der Gegend von Manbij in der Region Aleppo auf die Dörfer al-Tukhar, al-Hadhadh und al-Ghandoura, bei denen im Sommer 2016 über 100 Zivilpersonen ihr Leben verloren. In diesen und anderen dokumentierten Fällen wurden Häuser, in denen sich Zivilpersonen aufhielten, komplett zerstört oder öffentliche Märkte getroffen.
Selbst wenn sich in einigen Fällen IS-Kämpfer in den bombardierten Dörfern und Häusern befunden hatten, verpflichtet das Völkerrecht dazu, Zivilpersonen durch geeignete Massnahmen wie etwa Warnungen oder das Hinausschieben eines Angriffs nach Möglichkeit zu schonen. Andernfalls muss ein Angriff als unverhältnismässig und damit völkerrechtswidrig betrachtet werden.
Befürchtungen für Mosul
Gerade im Hinblick auf die laufende Offensive auf die irakische Grossstadt Mosul, wo die US-geführte Koalition Luftunterstützung leistet, ist es unerlässlich, dass das CENTCOM Transparenz über die zivilen Opfer schafft und sich strikt an das humanitäre Völkerrecht hält.
Amnesty International hat bereits umfassende Berichte über Verletzungen des humanitären Völkerrechts – einschliesslich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit – veröffentlicht, namentlich durch das syrische Regime und Russland, aber auch über den selbsternannten «Islamischen Staat», kurdische Einheiten sowie diverse bewaffnete Oppositionsgruppen.