Schweiz Neue Kampagne von Amnesty: Männer setzen sich für «Nur Ja heisst Ja» ein

Medienmitteilung 5. Mai 2022, Bern – Medienkontakt
Kurz vor der entscheidenden Debatte im Parlament zur Reform des Sexualstrafrechts in der Schweiz hat Amnesty International heute eine neue Kampagne lanciert. Sie ruft insbesondere auch Männer dazu auf, für die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung und den Schutz von Betroffenen sexualisierter Gewalt einzustehen. Für eine Petition werden die Stimmen tausender Personen gesammelt. Sie sollen die breite Unterstützung der Bevölkerung für die Zustimmungslösung deutlich machen.

In der digitalen Kampagne, die Amnesty Schweiz mit der Agentur Messieurs.ch entwickelt hat, setzen sich engagierte Männer für die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung ein: Musiker, Journalisten, Aktivisten und Comedians sprechen in einer Talkshow öffentlich über die Verantwortung der Männer, sexualisierte Gewalt in der Schweiz zu thematisieren und zu bekämpfen.

«Ich kenne keine Frau, die keine sexuelle Belästigung erlebt hat, ich finde das so krass. Männer sind diejenigen, die den grössten Teil der Täter ausmachen, und die was ändern können. .... und die Verantwortung, die wir als Männer haben, wahrnehmen.» Denis Sorie, Aktivist

Die Kampagne will möglichst viele Männer erreichen und sie ermutigen, das «Nur Ja heisst Ja»-Prinzip in jeder sexuellen Beziehung anzuwenden, mit Kollegen darüber zu reden und sich öffentlich gegen sexualisierte Gewalt auszusprechen. Nachdem sich seit mehreren Jahren eine breite Allianz von Frauenrechts- und LGBTI+-Organisationen sowie zahlreiche Aktivist*innen für eine zeitgemässe Reform des Sexualstrafrechts einsetzen, sollen sich vermehrt auch Männer für dieses Anliegen stark machen.

Die entscheidende Rolle der Männer

«Lange Zeit hat man den Frauen einschärft, ‚Nein’ zu sagen, um sich gegen eine ungewollte sexuelle Handlung zu wehren. Es ist Zeit, die Männern aufzufordern: Holt das ‚Ja‘ vor jedem sexuellen Kontakt ein!», sagt Cyrielle Huguenot, Verantwortliche für die Kampagne bei Amnesty Schweiz.

Unlängst hat eine repräsentative Umfrage von gfs.bern aufgezeigt, dass problematische Ansichten zur sexuellen Verfügbarkeit vor allem unter Männern weiterhin verbreitet sind. 37% der befragten Männer in der Schweiz schätzen aufreizende Kleidung und Flirten als Einwilligung zum Geschlechtsverkehr ein. Jeder siebte Mann geht von einer geltenden Einwilligung aus, wenn eine Person aktuell zwar schläft, aber sonst immer zu Sex zustimmt. Jeder Dritte erachtet es als Einwilligung, wenn sich die Partner*in nicht aktiv gegen die Handlungen wehrt.

Gleichzeitig zeigt die Studie auf, dass ein Grossteil der Bevölkerung sexualisierte Gewalt als verbreitetes Phänomen wahrnimmt und Lösungen durch Politik und Justiz erwartet. Die Zustimmungslösung wird dabei auch von Männern eindeutig als beste Option zum stärkeren Schutz von Betroffenen im Sexualstrafrecht erachtet.

Männer sprechen über Konsens: Statements aus der Talkshow 

  • «Ich kenne keine Frau, die keine sexuelle Belästigung erlebt hat, ich finde das so krass. Männer sind diejenigen, die den grössten Teil der Täter ausmachen, und die was ändern können. Es ist enorm wichtig, dass wir über das Thema sexualisierte Gewalt und Konsens sprechen und die Verantwortung, die wir als Männer haben, wahrnehmen.» Denis Sorie, Aktivist
  • Wir leben in einer Gesellschaft, in der sexualisierte Gewalt an der Tagesordnung ist – Zahlen von Übergriffen und Vergewaltigungen sind viel zu hoch. Im Kampf für ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht haben schon sehr viele Frauen viel geleistet. Männer müssen realisieren, dass das Thema alle angeht. Gelebter Konsens bedeutet mehr Spass, aber vor allem weniger Gewalt. Fehlender Konsens beim Sex ist das Schlimmste, ist etwas vom Schlimmsten und Traumatischsten, das passieren kann.» Thomas Neumeyer, männer.ch
  • «Es ist unsere Verantwortung, darüber zu reden, uns weiterzubilden. Es ist nicht die Aufgabe der Frauen oder der Opfer, uns aufzuklären. Es beweist Stärke, wenn sie das tun, aber am Ende ist es unsere eigene Verantwortung.»
    Josia Jourdan, Blogger / freier Journalist
Debatte geht im Parlament in entscheidende Runde

2019 hatten 37‘000 Personen mit Amnesty International und anderen Organisationen Bundesrätin Karin Keller-Sutter und das Justizdepartement zu dringenden Reformen beim Schutz vor sexualisierter Gewalt aufgerufen. Drei Jahre nach der Lancierung einer breiten gesellschaftspolitischen Debatte wird der Ständerat in der Sommersession endlich über ein neues konsensbasiertes Sexualstrafrecht beraten (ab 30. Mai). Ihm liegen zwei Varianten für eine Reform vor.

In einer neuen Petition ruft Amnesty International gemeinsam mit Operation Libero und mehr als 25 weiteren Partnerorganisationen zur Unterstützung für die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung auf. Amnesty International ist der Überzeugung, dass die Zustimmungslösung («Nur Ja heisst Ja») der Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») klar vorzuziehen ist, weil sie einen besseren Schutz der sexuellen Selbstbestimmung garantiert.