Todesstrafen-Bericht 2022 Weltweite Bilanz 2022 – Zahlen und Fakten

16. Mai 2023
Amnesty International Amnesty International verzeichnete im Jahr 2022 883 Hinrichtungen in 20 Ländern – ein Anstieg um 53 Prozent. Eine kurze Übersicht aus dem längeren Bericht.

Globaler Trend zur Abschaffung

Aktueller Stand der Länder mit oder ohne Todesstrafe:

Abgeschafft für alle Verbrechen: 112
Abgeschafft nur für gewöhnliche Strafen: 9
Abgeschafft in der Praxis: 23

Länder ohne Todesstrafe: 144
Länder mit Todesstrafe: 55

 

Stand Mai 2023

HINRICHTUNGEN

Amnesty International hat im Jahr 2022 mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern dokumentiert1, was einen Anstieg um 53 Prozent gegenüber den mindestens 579 Hinrichtungen im Vorjahr bedeutet. Dies ist die höchste Zahl an Exekutionen, die Amnesty International in den letzten fünf Jahren verzeichnet hat (seit 2017, als mindestens 993 Hinrichtungen registriert wurden).

China ist nach wie vor der weltweit führende «Henkerstaat», aber das wahre Ausmass der Anwendung der Todesstrafe in diesem Land bleibt unbekannt, da diese Daten als Staatsgeheimnis eingestuft sind.2  In der von Amnesty International erfassten Gesamtzahl sind daher die Tausenden von Hinrichtungen nicht enthalten, die vermutlich in China vollzogen wurden. Gleiches gilt für Exekutionen in Vietnam und Nordkorea, wo Amnesty International davon ausgeht, dass die Todesstrafe ebenfalls in grossem Umfang angewandt wurde.

Die Länder mit den höchsten bekannt gewordenen Hinrichtungszahlen sind China (Tausende), Iran (mindestens 576), Saudi-Arabien (196), Ägypten (24) und die USA (18) – in dieser Reihenfolge.

Im Jahr 2022 entfielen 93 Prozent der weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen (China unberücksichtigt) auf die Region Naher Osten und Nordafrika.

Die 196 Hinrichtungen, die in Saudi-Arabien registriert wurden, stellen die höchste jährliche Gesamtzahl dar, die Amnesty International in diesem Land seit 30 Jahren verzeichnete.

Insgesamt sind weltweit mindestens 13 Frauen exekutiert worden, und zwar in den folgenden Ländern: Iran (12) und Saudi-Arabien (1).

 

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VERLETZUNG DES VÖLKERRECHTS

2022 wurden weltweit mindestens 325 Hinrichtungen wegen Drogendelikten dokumentiert: China (unbekannte Anzahl), Iran (255), Saudi-Arabien (57) und Singapur (11). Bei der Ermittlung der Gesamtzahl der Hinrichtungen wegen Betäubungsmittelstraftaten wurden für China –  gemäss der Methodik von Amnesty International – zwei Hinrichtungen in die Bilanz eingestellt. Mindestens drei öffentliche Hinrichtungen wurden in Afghanistan (1+) und Iran (2) verzeichnet.
In Iran sind mindestens fünf Menschen für Straftaten hingerichtet worden, die sie als Minderjährige (unter 18-Jährige) begangen haben sollen.

WIEDERAUFNAHME VON HINRICHTUNGEN

In fünf Ländern wurde nach Unterbrechungen der Vollzug der Todesstrafe wieder aufgenommen: Afghanistan, Kuwait, Myanmar, Palästina (Staat) und Singapur. Botsuana, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate, die im Jahr 2021 noch Todesurteile vollstreckt hatten, haben dies im Jahr 2022 nicht getan.

Im Jahr 2022 kamen die folgenden Hinrichtungsmethoden zur Anwendung: Enthaupten, Erhängen, Giftinjektion und Erschiessen.

TODESURTEILE

Amnesty International registrierte im Laufe des Jahres 2022 mindestens 2016 neue Todesurteile in 52 Ländern. Zum Vergleich: 2021 waren es 2.052 Todesurteile in 56 Ländern. Dies kommt einer leichten Abnahme von knapp zwei Prozent gleich.

Amnesty International verzeichnete Umwandlungen von Todesurteilen oder Begnadigungen in 26 Ländern.

Fünf Länder – Bahrain, Komoren, Laos, Niger und Südkorea – verhängten nach Unterbrechungen wieder Todesurteile.

Amnesty International dokumentierte in vier Ländern mindestens 28 Urteilsaufhebungen / nachträgliche Entlastungen von zum Tode verurteilten Personen – Kenia (20), Marokko/Westsahara (1), Simbabwe (5) und USA (2).

Zum Jahresende 2022 befanden sich weltweit mindestens 28.282 Personen im Todestrakt.

IMMER MEHR LÄNDER GEBEN DIE TODESSTRAFE AUF

Sechs Länder haben die Todesstrafe im Jahr 2022 entweder ganz (Kasachstan, Papua-Neuguinea, Sierra Leone und die Zentralafrikanische Republik) oder teilweise (Äquatorialguinea und Sambia), d. h. nur für gewöhnliche Straftaten nicht jedoch im Militärstrafrecht, abgeschafft.

Ende 2022 hatten weltweit insgesamt 112 Länder die Todesstrafe im Gesetz für alle Verbrechen und somit vollständig aufgegeben. Hinzu kommen neun Länder, die gewöhnliche Straftaten nicht mehr mit dem Tod ahnden, sowie weitere 23 Staaten, die die Todesstrafe zwar nicht per Gesetz, wohl aber in der Praxis eingestellt haben. Somit ist die Todesstrafe in 144 Ländern (mehr als zwei Drittel aller Staaten) de jure oder in der Praxis ausser Vollzug gesetzt. 55 Staaten halten weiterhin an der Todesstrafe fest.

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DIE TODESSTRAFE NACH REGIONEN

Afrika (Südlich der Sahara)

Die Zahl der registrierten Hinrichtungen in der Region ging um 67 Prozent zurück, von 33 im Jahr 2021 auf elf im Jahr 2022.

Die einzigen bekannt gewordenen Exekutionen wurden in Somalia und Südsudan vollzogen.

Die Zahl der registrierten Todesurteile sank um 20 Prozent, von 373 im Jahr 2021 auf 298 im Jahr 2022.

Im Jahr 2022 wurden in 16 Ländern neue Todesurteile verhängt, im Jahr 2021 waren es 19.

Sierra Leone und die Zentralafrikanische Republik haben die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft. Äquatorialguinea und Sambia änderten ihre Strafgesetze und ahnden nun gewöhnliche Verbrechen nicht mehr mit der Todesstrafe.

Amerika (Nord- und Südamerika)

Das 14. Jahr in Folge blieben die USA das einzige Land in der Region, in dem Hinrichtungen durchgeführt wurden.

Die Zahl der Exekutionen in den USA stieg um 64 Prozent, von elf im Jahr 2021 auf 18 im Jahr 2022.

Die scheidende Gouverneurin von Oregon, Kate Brown, hat alle verbleibenden Todesurteile in diesem US-Bundesstaat in Haftstrafen umgewandelt.

Im sechsten Jahr in Folge waren Guyana, Trinidad und Tobago und die USA die einzigen Länder der Region, die neue Todesurteile verhängten.

Asien und Pazifik

Im asiatisch-pazifischen Raum ist von acht Ländern bekannt (Afghanistan, Bangladesch, China, Japan, Myanmar, Nordkorea, Singapur und Vietnam), dass sie im Jahr 2022 Gefangene exekutiert haben. Dies ist ein Anstieg gegenüber den fünf Ländern, die im Jahr 2021 Hinrichtungen vornahmen.

Die Zahl der neu verhängten Todesurteile in der Region stieg um fünf Prozent, von 819 im Jahr 2021 auf 861 im Jahr 2022.

Die Militärbehörden in Myanmar führten die ersten Hinrichtungen seit vier Jahrzehnten durch, wobei vier Menschen, darunter zwei hochrangige Oppositionspolitiker, exekutiert wurden.

Auch Afghanistan und Singapur nahmen nach Unterbrechungen den Vollzug von Todesurteilen wieder auf.

Papua-Neuguinea ist das 21. Land im asiatisch-pazifischen Raum, das die Todesstrafe für alle Verbrechen abschaffte.

Europa und Zentralasien

Belarus hat im Jahr 2022 eine Hinrichtung durchgeführt. Es ist nach wie vor das einzige Land in der Region, das Todesurteile vollstreckt.

Kasachstan hat die Todesstrafe für alle Verbrechen aufgegeben und einen wichtigen Vertrag der Vereinten Nationen über die Abschaffung der Todesstrafe ratifiziert.

In Russland und Tadschikistan sind weiterhin Hinrichtungsmoratorien in Kraft.

Naher Osten und Nordafrika

Die Zahl der Hinrichtungen in der Region Naher Osten und Nordafrika stieg um 59 Prozent, von 520 im Jahr 2021 auf 825 im Jahr 2022.

94 Prozent der in der Region bekannt gewordenen Exekutionen wurden in nur zwei Ländern – Iran (70 Prozent) und Saudi-Arabien (24 Prozent) – vollzogen.

In Kuwait und im Staat Palästina wurden zum ersten Mal seit 2017 wieder Hinrichtungen durchgeführt.

Die Zahl der registrierten Todesurteile in der Region ging von 834 im Jahr 2021 auf 827 im Jahr 2022 leicht zurück. Im Jahr 2022 wurden in 16 Ländern neue Todesurteile verhängt, verglichen mit 17 im Jahr 2021.

Die vorliegende Zusammenfassung der Zahlen & Fakten zur Todesstrafe im Jahr 2022 ist dem weltweiten Bericht von Amnesty International Death sentences and executions 2022 entnommen.

1 Amnesty International berichtet nur über Hinrichtungen, Todesurteile und andere Aspekte der Todesstrafe, bei denen die Informationen ausreichend abgesichert werden konnten. Die Regierungen vieler Länder halten Angaben zur Todesstrafe aber unter Verschluss. Andere Länder sorgen aufgrund restriktiver staatlicher Praktiken dafür, dass nur wenige Informationen verfügbar sind. Aus diesem Grund sind die hier aufgeführten Zahlen für viele Staaten als Mindestangaben zu verstehen. Die tatsächlichen Zahlen liegen in der Realität oft höher.

2 Seit 2009 publiziert Amnesty International keine Daten mehr zur Anwendung der Todesstrafe in China. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass China die konservativ geschätzten Zahlen von Amnesty International in der Vergangenheit vorschob, um das wahre Ausmass an Hinrichtungen zu verbergen. Amnesty International hat stets betont, dass die zu China publizierten Schätzungen aufgrund eingeschränkten Zugangs zu Informationen deutlich niedriger ausfielen als in Wirklichkeit. China hat bis heute keine Zahlen zur Todesstrafe veröffentlicht. Amnesty International geht aber davon aus, dass dort jährlich Tausende Menschen zum Tode verurteilt und exekutiert werden.