Amnesty Report: Schweiz Amnesty Report: Schweiz

Amnesty International Report 2017/18 Die Menschenrechte in der Schweiz

22. Februar 2018
Migrantinnen, Migranten und abgelehnte Asylsuchende wurden unter Verstoss gegen das Non-Refoulement-Prinzip abgeschoben. Auch 2017 kam es zu unverhältnismässiger Gewaltanwendung bei der Rückschiebung von MigrantInnen. An den Vorschlägen der Regierung für die Einrichtung einer nationalen Menschenrechtsinstitution wurde weiterhin kritisiert, dass die Unabhängigkeit der Institution nicht sichergestellt ist.

Amtliche Bezeichnung: Schweizerische Eidgenossenschaft
Bundespräsident/in: Doris Leuthard (löste im Januar Johann Schneider-Ammann im Amt ab)

 

Gesetzliche, verfassungsrechtliche und institutionelle Entwicklungen

Im August äusserte der UN-Menschenrechtsausschuss Bedenken hinsichtlich der «Selbstbestimmungsinitiative», einer Volksinitiative, die Schweizer Verfassungsrecht über Völkerrecht stellen will. Der Ausschuss drängte die Schweiz zur Einführung von Kontrollmechanismen, die sicherstellen, dass eine Volksinitiative den internationalen Menschenrechtsnormen entspricht, bevor sie der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt wird.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats und der Uno-Menschenrechtsausschuss drängten die Schweiz im Frühsommer zur Schaffung einer vollumfänglich unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution gemäss den Pariser Prinzipien mit einem umfassenden Mandat und ausreichenden personellen und finanziellen Mitteln. NGOs äusserten Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der im Juni vom Bundesrat vorgeschlagenen Menschenrechtsinstitution.

 

Flüchtlinge und Asylsuchende

Unter Berufung auf die Dublin-III-Verordnung, in der die Zuständigkeit eines EU-Mitgliedstaats für die Prüfung eines Asylantrags geregelt ist, führten die Schweizer Behörden mehrere Asylsuchende in andere Schengen-Staaten zurück, ohne deren familiäre Bindungen in der Schweiz zu berücksichtigen.

Im April befand das Bundesgericht, dass die Verbringung eines afghanischen Ehepaars und ihres Kleinkindes in Administrativhaft im Oktober 2016 sowie die Unterbringung ihrer anderen drei Kinder in einem Kinderheim mit dem Ziel, die ganze Familie nach Norwegen zu überstellen, einen gravierenden Verstoss gegen ihr Recht auf Familienleben darstelle.

Im Oktober forderte der Menschenrechtskommissar des Europarats die Schweiz auf, die Identifizierung und den Schutz der schutzbedürftigsten MigrantInnen und Asylsuchenden zu verbessern und bei allen Entscheidungen und Massnahmen im Bereich Migration und Asyl für geschlechtersensibles und kindgerechtes Vorgehen zu sorgen. Noch immer wird minderjährigen Asylsuchenden, die in Bundesasylzentren untergebracht sind, der Zugang zu Bildung verweigert.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof und der Uno-Ausschuss gegen Folter stellten in mehreren Fällen fest, dass mit der Abschiebung abgelehnter Asylsuchender bzw. von MigrantInnen ohne Ausweispapiere nach Sri Lanka, in den Sudan oder die Türkei gegen das
Non-Refoulement-Prinzip verstossen wurde (Verbot, Menschen in Staaten zurückzuschieben, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen).

Polizei und Sicherheitskräfte

Im August forderte der Uno-Menschenrechtsausschuss die Schweiz auf, einen unabhängigen Beschwerdemechanismus zur Prüfung aller Vorwürfe von rechtswidrigem Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte einzuführen und entsprechende Daten zu sammeln, aufgeschlüsselt nach Anzahl der Beschwerden, der Ermittlungen und der Verurteilungen. Des Weiteren empfahl der Ausschuss, eine Bestimmung in das Strafgesetzbuch aufzunehmen, in der Folter explizit verboten und als eigenständiger Straftatbestand definiert wird.

Im Juli stellte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter zwar einige Verbesserungen fest, äusserte sich aber besorgt über exzessive Polizeigewalt, vor allem im Zusammenhang mit Abschiebungen.

Diskriminierung

Im März lehnte der Ständerat einen parlamentarischen Vorstoss zur Einführung eines landesweiten Verbots der Vollverschleierung ab.

Im August drängte der Uno-Menschenrechtsausschuss die Schweiz, eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung zu schaffen, und empfahl, intergeschlechtliche Kinder nicht ohne ihre Zustimmung unnötigen operativen Eingriffen zu unterziehen.

Frauenrechte

Im August empfahl der Uno-Menschenrechtsausschuss die Fortführung der Bekämpfung von häuslicher Gewalt, weiblicher Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung, die Schulung des gesamten Justizpersonals im Umgang mit Fällen von häuslicher Gewalt und die Erleichterung des Bleiberechts für Migrantinnen, die von häuslicher Gewalt betroffen waren. Im Dezember ratifizierte die Schweiz die Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention).