Annual Report on the State of Human Rights Worldwide Annual Report on the State of Human Rights Worldwide
An der mexikanischen Grenze in El Paso, Texas am 13. März 2024 © John Moore/Getty Images

Amnesty International Jahresbericht 2024/25 «Trump-Effekt» verschärft weltweite Menschenrechtskrise

Medienmitteilung 29. April 2025, London/Bern – Medienkontakt
Die menschenrechtsfeindliche Politik der Trump-Regierung befeuert schädliche Dynamiken, untergräbt die universellen Menschenrechte und gefährdet die Rechte von Milliarden von Menschen weltweit, warnt Amnesty International anlässlich der Lancierung ihres Jahresberichts. Die Menschenrechtsorganisation ruft die Staaten – namentlich die Schweiz – dazu auf, das internationale System zum Schutz der Menschenrechte unmissverständlich zu verteidigen.

In ihrem Bericht zur Lage der Menschenrechte in 150 Ländern stellt Amnesty International fest, dass der «Trump-Effekt» den Schaden auf die Spitze treibt, der 2024 bereits von anderen Regierungen weltweit angerichtet wurde. Jahrzehntelange Bemühungen zur Schaffung und Förderung eines Systems, das universelle Menschenrechte garantieren soll, wurden aktiv untergraben und es wurde ein brutales neues Zeitalter eingeläutet, in dem autoritäre Praktiken auf ungezügelte Profitgier treffen.

«Donald Trump ist nur die Spitze des Eisbergs. Bereits seit Jahren beobachten wir weltweit eine schleichende Ausbreitung autoritärer Praktiken. Wir alle, die wir an Freiheit und Gleichheit glauben, müssen uns gegen immer extremere Angriffe auf das Völkerrecht und die universellen Menschenrechte zur Wehr setzen.» Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International

«Jahr für Jahr haben wir vor den Gefahren gewarnt, die eine zunehmende Abkehr von den Menschenrechten mit sich bringt. Doch die Ereignisse der letzten zwölf Monate – nicht zuletzt der Völkermord an den Palästinenser*innen im Gazastreifen – haben gezeigt, wie schlimm die Lage für zahllose Menschen weltweit wird, wenn sich die mächtigsten Staaten über das Völkerrecht hinwegsetzen und von multilateralen Institutionen abkehren. Die Welt steht an einem historischen Wendepunkt: Regierungen und die Zivilgesellschaft müssen dringend zusammenarbeiten, um die Menschheit auf einen sichereren Pfad zurückzubringen», sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

Der Amnesty-Bericht zur weltweiten Lage der Menschenrechte 2024/25 dokumentiert brutale und routinemässige Unterdrückung von Andersdenkenden, eine verheerende Verschärfung bewaffneter Konflikte, unzureichende Bemühungen zur Bewältigung der Klimakrise und globale Rückschritte bei den Rechten von Migrant*innen, Geflüchteten, Frauen und Mädchen sowie LGBTI+ Personen. Ohne eine globale Kehrtwende wird es in diesen Bereichen 2025 weiter abwärts gehen.

«In den ersten hundert Tagen seiner zweiten Amtszeit hat Präsident Trump nichts als Verachtung für die universellen Menschenrechte an den Tag gelegt. Seine Regierung hat sich gezielt gegen wichtige US-amerikanische und internationale Institutionen und Initiativen gewandt und grundlegende Prinzipien wie den Multilateralismus, das Recht auf Asyl, die Gleichstellung von Menschen, die Weltgesundheit oder den Klimaschutz attackiert. Damit fügt er den ohnehin bereits angeschlagenen Grundsätzen und Institutionen weiteren Schaden zu und ermutigt andere, es ihm gleichzutun», so Agnès Callamard.

«Donald Trump ist nur die Spitze des Eisbergs. Bereits seit Jahren beobachten wir weltweit eine schleichende Ausbreitung autoritärer Praktiken. Wir alle, die wir an Freiheit und Gleichheit glauben, müssen uns gegen immer extremere Angriffe auf das Völkerrecht und die universellen Menschenrechte zur Wehr setzen.»

Meinungsfreiheit im Visier

Die Menschenrechte kamen 2024 weltweit immer stärker unter Beschuss, und das Fundament hierfür waren autoritäre Gesetze und die Beschneidung der Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Rund um den Globus versuchten Regierungen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, ihre Macht zu festigen und Furcht zu verbreiten, indem sie Medien verboten, NGOs und politische Parteien auflösten oder mit einem Betätigungsverbot belegten. Kritiker*innen wurden wegen haltloser «Extremismus»- oder «Terrorismus»-Vorwürfe inhaftiert und Menschenrechtsverteidiger*innen, Klimaaktivist*innen und Andersdenkende kriminalisiert.

In mehreren Ländern begegneten die Sicherheitskräfte zivilem Ungehorsam mit willkürlichen Massenfestnahmen und unverhältnismässiger – manchmal tödlicher – Gewalt. Festgenommene wurden häufig Opfer des Verschwindenlassens. So verhängten etwa die Behörden in Bangladesch Schiessbefehle gegen Demonstrant*innen der Studierendenproteste, wodurch fast 1000 Menschen getötet wurden. In Mosambik gingen die Sicherheitskräfte im Zuge der umstrittenen Wahlen rücksichtslos gegen Protestierende vor, was mindestens 277 Tote zur Folge hatte. In der Türkei wurden pauschale Demoverbote erlassen; die Polizei unterdrückte friedliche Demonstrant*innen mit rechtswidriger und wahlloser Gewalt.

Menschenrechtsverstösse in bewaffneten Konflikten

In zahlreichen bewaffneten Konflikten begingen sowohl Regierungstruppen als auch bewaffnete Gruppierungen Kriegsverbrechen und andere schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht. Amnesty International dokumentierte in einem wegweisenden Bericht den Völkermord der israelischen Regierung an den Palästinenser*innen im Gazastreifen, während im Westjordanland das System der Apartheid und rechtswidrigen Besetzung immer gewaltsamer durchgesetzt wurde. Russland tötete 2024 noch mehr ukrainische Zivilpersonen als im Jahr zuvor und griff weiterhin gezielt die zivile Infrastruktur an. Ukrainische Gefangene wurden systematisch gefoltert oder fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer

Im Sudan verübten Mitglieder der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in grossem Umfang sexualisierte Gewalttaten an Frauen und Mädchen und begingen damit Kriegsverbrechen und mutmassliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gleichzeitig stieg die Zahl der Binnenvertriebenen im Sudan wegen des bereits seit zwei Jahren anhaltenden Bürgerkriegs auf 11 Millionen an – die höchste Vertreibungsquote weltweit. Doch dieser Konflikt stiess weltweit auf nahezu völlige Gleichgültigkeit – abgesehen von dem zynischen Opportunismus einiger Länder, die die Gelegenheit nutzten, unter Verstoss gegen das Waffenembargo für Darfur Waffen in den Sudan zu liefern.

«Amnesty International warnt seit Langem vor einer Doppelmoral, die das auf internationalen Regeln basierende System untergräbt. Die Auswirkungen wurden 2024 in den Konflikten augenfällig – von Gaza bis zur der Demokratischen Republik Kongo. Grundlegende Schutzmechanismen, die zur Wahrung der Menschlichkeit nach den Schrecken des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs eingerichtet wurden, stehen auf der Kippe», warnte Agnès Callamard. «Die neue US-Regierung unter Präsident Trump scheint darauf aus zu sein, die Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft, die 2024 bereits stark ins Wanken geriet, komplett zum Einsturz zu bringen. Stattdessen soll eine neue Doktrin durchgesetzt werden, die auf Gier, rücksichtlosen Eigeninteressen und der Dominanz einiger weniger über andere beruht.»

Regierungen lassen zukünftige Generationen im Stich

Der Amnesty-Bericht zur weltweiten Lage der Menschenrechte zeigt auf ernüchternde Weise auf, wie die internationale Gemeinschaft bisher kollektiv dabei versagt hat, die Klimakrise zu bewältigen, die wachsende Ungleichheit auszumerzen und die Macht der Konzerne einzudämmen.

Die Weltklimakonferenz (COP29) war eine Katastrophe. Eine Rekordzahl an Lobbyist*innen sorgte dafür, dass die Diskussionen um einen gerechten Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen keine Fortschritte machten. Gleichzeitig setzten die wohlhabendsten Staaten die einkommensschwächeren Länder unter Druck, völlig unzulänglichen Vereinbarungen über die Klimafinanzierung zuzustimmen. Die unverantwortliche Entscheidung der US-Regierung, sich aus dem Pariser Klimaabkommen zurückzuziehen, und das «Drill, Baby Drill»-Mantra von Donald Trump kommen noch erschwerend hinzu.

«2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und das erste Jahr, in dem die globale Durchschnittstemperatur 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau lag. Die Überschwemmungen, die Gebiete in Südasien und Europa verwüsteten, die Dürren, die das südliche Afrika heimsuchten, die Brände, die weite Teile des Amazonas-Regenwalds vernichteten, und die Wirbelstürme, die in den USA verheerende Schäden anrichteten – diese Katastrophen verdeutlichten die enormen menschlichen Kosten, die der Klimawandel schon heute mit sich bringt. Angesichts des für dieses Jahrhundert prognostizierten Temperaturanstiegs um 3 °C wissen auch die reicheren Länder, dass sie nicht vor immer extremeren Katastrophen gefeit sind. Die jüngsten Waldbrände in Kalifornien haben dies eindrücklich vor Augen geführt. Doch werden die Regierungen handeln?» sagt Agnès Callamard.

Im Jahr 2024 haben sich die extreme Armut und die Ungleichheit zwischen Arm und Reich weiter verschärft. Migrant*innen und Flüchtlinge wurden vielerorts zum Sündenbock für Kriminalität und Wirtschaftskrisen gemacht. Während die Zahl der Milliardäre als auch deren Vermögen stetig anwuchs, warnte die Weltbank vor einem «verlorenen Jahrzehn für die weltweite Armutsbekämpfung.

Rechte von Frauen und LGBTI+ in Frage gestellt

Die Zukunftschancen für Frauen und Mädchen sowie für lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) haben sich vielerorts verdüstert. Die Taliban schlossen Frauen in Afghanistan immer stärker aus dem öffentlichen Leben aus, während die iranischen Behörden ihr brutales Vorgehen gegen Frauen und Mädchen, die sich dem Kopftuchzwang widersetzten, intensivierten.

In Malawi, Mali und Uganda wurden einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen unter Strafe gestellt bzw. waren weiterhin verboten. Georgien und Bulgarien folgten dem Beispiel Russlands und gingen hart gegen vermeintliche «LGBTI-Propaganda» vor. Die US-Regierung unter Donald Trump befeuert die globale Gegenbewegung gegen Geschlechtergerechtigkeit weiter, indem sie Initiativen zur Bekämpfung von Diskriminierung zurückbaut, die Rechte von trans Menschen unter Beschuss nimmt und die Mittel für weltweite Programme zugunsten von Frauen und Mädchen, z. B. in den Bereichen Gesundheit und Bildung, einstellt.

Rund um den Globus werden Regierungen ihrer Verantwortung gegenüber heutigen und künftigen Generationen auch im Tech-Bereich nicht gerecht: neue Technologien werden nicht angemessen reguliert, Überwachungstools werden missbraucht, und Diskriminierung und Ungleichheiten werden durch den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz weiter zementiert.

Tech-Konzerne leisten diskriminierenden und autoritären Praktiken seit Langem Vorschub. US-Präsident Trump heizt diese weiter an, indem er Social-Media-Konzerne dazu animierte, bestimmte Schutzmassnahmen zurückzubauen – wie z. B. die Abschaffung des unabhängigen Faktenchecks durch Facebook-Inhaber Meta – und auf ein Geschäftsmodell zu setzen, das die Verbreitung hasserfüllter und gewalttätiger Inhalte ermöglicht. Mit der engen Zusammenarbeit zwischen der US-Regierung und den Tech-Milliardären droht zudem eine Ära ungezügelter Korruption, Desinformation, Straflosigkeit und politischer Einflussnahme von Konzernen.

«Präsident Trump setzte die Tech-Milliardäre bei seiner Amtseinführung in die erste Reihe und hat dem reichsten Mann der Welt beispiellosen Zugang zum US-Regierungsapparat gewährt. Scheinbar dürfen die ihn unterstützenden Unternehmer*innen sich ohne Rücksicht auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit mit beiden Händen bedienen», sagt Agnès Callamard.

Rückhalt für das Völkerrecht

Trotz der Versuche mächtiger Staaten, die Durchsetzung des Völkerrechts zu behindern – wie z. B. die beschämenden Sanktionen der USA gegen den Chefankläger des IStGH – arbeiteten der Internationale Strafgerichtshof und andere multilaterale Organe 2024 weiterhin unermüdlich daran, die Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen.

Der IStGH erliess Haftbefehle gegen hochrangige Befehlshaber in Israel, Gaza, Libyen, Myanmar und Russland. Die Uno erzielte einen historischen Durchbruch bei der Wegbereitung zur Aushandlung eines überfälligen Vertrags über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und auf den Philippinen wurde im März 2025 der ehemalige Präsident Rodrigo Duterte aufgrund eines Haftbefehls des IStGH wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit festgenommen.

Nachdem Südafrika ein Verfahren gegen Israel wegen Verstosses gegen die Völkermordkonvention angestrengt hatte, ordnete der Internationale Gerichtshof (IGH) 2024 drei Mal einstweilige Massnahmen an, um einen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern, und befand in einem Gutachten die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete, einschliesslich Ost-Jerusalem, für völkerrechtswidrig. Auch die Uno-Generalversammlung verabschiedete eine Resolution, in der Israel zur Beendigung der Besatzung aufgefordert wird.

«Die Angriffe, die wir in den vergangenen Monaten auf den IStGH beobachtet haben, lassen absehen, dass sich diese Fronten 2025 noch verhärten werden. Die Regierungen müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die internationale Justiz zu unterstützen, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und den IStGH und seine Mitarbeiter*innen vor Sanktionen zu schützen», sagte Agnès Callamard.

Die Schweiz muss sich für die Menschenrechte einsetzen

Die Schweiz wird im Amnesty-Jahresbericht für zwei umstrittene Entscheide gerügt: die Einstellung der humanitären Hilfe für das Uno-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) während des Krieges in Gaza und ihr Zögern, das historische Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zugunsten der KlimaSeniorinnen zu befolgen.

«Diese Haltung schwächt die humanitäre Tradition der Schweiz und stellt ihr Engagement für das Völkerrecht in Frage. Die Schweizer Behörden müssen auf der internationalen Bühne eine andere Rolle einnehmen und das globale System zum Schutz der Menschenrechte unmissverständlich verteidigen», betont Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz.

«Auf nationaler Ebene ist Amnesty International besorgt über die Aushöhlung der Demonstrationsfreiheit. Diese sollte angesichts der weltweiten Zunahme von Hass und Autoritarismus besonders geschützt werden, denn sie ist ein zentrales Bollwerk gegen Willkür und Ungerechtigkeit», sagt Alexandra Karle weiter.

In der Schweiz haben mehrere Kantone die Demonstrationsfreiheit in letzter Zeit eingeschränkt. In Zürich macht ein neues Gesetz Demonstrationen von einer vorgängigen Bewilligung abhängig und ermöglicht es, die Polizeikosten auf die Organisator*innen zu überwälzen. In Genf zielt ein Gesetzentwurf darauf ab, bestimmte Demonstrationen im Stadtzentrum zu verbieten. Darüber hinaus wurden Student*innen mit Sanktionen bedroht und strafrechtlich verfolgt, die an Protesten gegen den Krieg in Gaza beteiligt waren.

«Die Meinungsfreiheit und das Recht, sich friedlich zu versammeln, sind Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft – und ein Lackmustest für das tatsächliche Engagement der Schweiz für die Menschenrechte», sagt Alexandra Karle.