Zum ersten Mal ging es den JournalistInnen der internationalen Medien in der Türkei wie ihren KollegInnen vor Ort: Mindestens 10 ausländische Medienschaffende wurden im Gezi-Park angegriffen und durch Tränengas, Gummischrotgeschosse, Knüppel und Wasserwerfer verwundet. Bei der Berichterstattung über die Proteste wurden in 4 Monaten 153 türkische und ausländische JournalistInnen Ziel von Gewaltattacken, 39 MedienvertreterInnen wurden festgenommen.
Scharfe Gesetze
Mit der Verschärfung der Gesetze für die türkische Telekommunikationsbehörde (TIB), den Nachrichtendienst (MIT) und die Innere Sicherheit sowie dem Ausbau der Macht der Friedensrichter sind die Dienststellen des türkischen Premierministers und der Minister nun befugt, die Zensur von Internet- und audiovisuellen Beiträgen anzuordnen. Die Verbreitung von Informationen über die Nachrichtendienste kann mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden.
Schon in den Jahren zwischen 2010 und 2014 waren den Medien 149 allgemeine Verbote auferlegt worden. Dies hatte dazu geführt, dass die Massenmedien von den wichtigsten Debatten ausgeschlossen wurden, etwa über die Waffenlieferungen nach Syrien, die Korruption in der Politik, eine Explosion in der Mine von Soma oder das Bombardement von kurdischen Zivilpersonen durch türkische Kampfflugzeuge in Roboski. Die Kontrollfunktion der Medien ist damit beträchtlich eingeschränkt worden, und das in einer Zeit, in der Diskussion und Transparenz nötiger sind denn je.
Kaum Aussicht auf Frieden
Die Situation könnte sich noch verschlimmern, insbesondere durch den ins Stocken geratenen Friedensprozess mit der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und das Wiederaufflammen der seit über dreissig Jahren andauernden Krise im Südosten der Türkei. Pro-kurdische Medien werden oft gerichtlich verfolgt. Im September 2015 wurde die einzige ausländische Journalistin in Diyarbakir, Frederike Geerdink, in die Niederlande ausgewiesen.
Die aktuelle Unterdrückung der Medien dient der Schwächung aller Formen des Protests, seien diese säkular, kurdisch, islamisch oder sozialistisch. Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan ist riskant: Zwanzig JournalistInnen, die es gewagt hatten, Erdogan wegen seiner zweifelhaften Verbindungen mit der Finanzwelt und seiner Regionalpolitik zu kritisieren, wurden 2015 wegen «Präsidentenbeleidigung» verurteilt. Der Wahlsieg von Erdogans Partei AKP im vergangenen November macht die Luft für den Journalismus noch dünner. Zu spüren bekam das beispielsweise Can Dündar, Chefredaktor der Tageszeitung «Cumhuriyet», der seit November im Gefängnis sitzt. Er hatte einen kritischen Artikel über Waffenlieferungen nach Syrien publiziert. Dem renommierten Journalisten droht lebenslängliche Haft.