Die indigene Bevölkerung leidet unter der Kohlenmine von Glencore. © Nicolo Filippo Rosso/Bloomberg/Getty Images
Die indigene Bevölkerung leidet unter der Kohlenmine von Glencore. © Nicolo Filippo Rosso/Bloomberg/Getty Images

MAGAZIN AMNESTY Amnesty-Magazin August 2022: Indigene Völker Der Kampf gegen die Kohle

Von Lea Schlunegger. Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» vom August 2022.
In Kolumbien hat die dem Schweizer Konzern Glencore gehörende Mine El Cerréjon gravierende Folgen für die indigene Bevölkerung.

Die Sonne brannte an diesem Tag im April, als Rosa María Mateus Parra und Samuel Arregoces aus der kolumbianischen Region Guajira die Schweizer Sektion von Amnesty International besuchten. Die Sonne brennt auch in La Guajira, der «karibischen Wüste» Kolumbiens, wie die Region von Reisebüros bezeichnet wird. Diese versprechen «spektakuläre Landschaften» und «indigene» Kulturen. Spektakulär ist vor allem auch die Landschaft, die durch den Kohleabbau in dieser Region entstanden ist.

Die Anwältin des Anwaltskollektivs CAJAR, Rosa María Mateus Parra, und der Umweltaktivist Samuel Arregoces haben jahrzehntelang gegen die Kohlemine El Cerrejón gekämpft. Die mehrheitlich afro-indigene Bevölkerung leidet an den gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Folgen des Kohleabbaus. Die Umleitung und Verseuchung von Flüssen führen zu Wassermangel und damit zum Entzug der Lebensgrundlagen. Insbesondere seien schwere Menschenrechtsverletzungen an afro-indigenen Gemeinschaften begangen worden, allen voran an den Wayúu, sagte Rosa María Mateus Parra. «Viele Kinder sind in der Region aufgrund von Durst und Hunger gestorben. […] Wir haben zwar verschiedene gerichtliche Urteile erreicht, welche die Umweltverletzung durch die Mine anerkennen. Aber nicht eines wurde korrekt umgesetzt.»

Investitionsschutzklage

Im Juni 2021 übernahm Glencore alle Anteile an El Cerrejón, der grössten Tagebau- Kohlemine in Lateinamerika. Gemäss Recherchen der Koalition für Konzernverantwortung begann Glencore 2016 den Fluss Arroyo Bruno umzuleiten, um die darunterliegenden Kohlevorräte abzubauen. Das Projekt konnte dank des Engagements von Aktivist*innen gestoppt werden, die den Fall bis vor das kolumbianische Verfassungsgericht gezogen hatten.

«Nur wenn es uns gelingt den Ausbau der Mine zu verhindern und den Fluss Bruno zu retten, können wir weiterhin in der Guajira leben», sagte Samuel Arregoces im Gespräch mit Amnesty Schweiz. Das kolumbianische Verfassungsgericht urteilte denn auch, dass der neue Flussverlauf die Wasserversorgung gefährde und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt nicht berücksichtigt worden seien. Das Gericht bekräftigte, dass es eine echte und wirksame Partizipation der lokalen Bevölkerung brauche und dass es notwendig sei, negative kulturelle und spirituelle Folgen für das Volk der Wayúu zu vermeiden.

Um die Umleitung des Arroyo Bruno dennoch durchzusetzen, reichte Glencore am 28. Mai 2021 auf Basis des Investitionsschutzabkommens Schweiz-Kolumbien eine Klage gegen Kolumbien ein. Das Zuger Unternehmen will vom kolumbianischen Staat nun eine Entschädigung dafür, dass der Ausbau der Mine gerichtlich gestoppt wurde.

Wachsender Druck

Rosa María erklärt bei ihrem Besuch in der Schweiz, dass seit dem russischen Angriff auf die Ukraine der Kohlepreis und damit auch das Interesse an kolumbianischer Kohle enorm gestiegen seien. Damit verschärft sich der Druck auf die lokale Bevölkerung in anderen Kohleabbaugebieten – so auch in Südafrika, Indien oder Indonesien. Auch die Schweiz importiert pro Jahr zirka 140 000 Tonnen Kohle.

Dass Menschen wie Rosa María und Samuel sich für Landund Umweltrechte einsetzen, ist nicht selbstverständlich und bedeutet für sie ein hohes Risiko. Menschen und Gemeinschaften, die sich in Kolumbien, aber auch in andern Ländern für ihre Rechte engagieren, sind oft Drohungen und massiver Gewalt – manche davon mit Todesfolge – ausgesetzt.