Eine neue Untersuchung von Amnesty International zeigt: In gepanzerten Mannschaftstransportern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die von den Rapid Support Forces (RSF) im Sudankonflikt eingesetzt werden, steckt Militärtechnologie aus französischer Produktion.
Bereits in einem im Juli veröffentlichten Briefing wies Amnesty International darauf hin, dass in verschiedenen Teilen des Sudans gepanzerte Mannschaftstransporter zum Einsatz kamen, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) hergestellt wurden. Die neusten Untersuchungen haben nun ergeben, dass diese Transporter mit hochentwickelten, in Frankreich entwickelten und hergestellten reaktiven Abwehrsystemen ausgestattet sind.
Die Nimr-Ajban-Mannschaftstransporter werden in den VAE vom Rüstungskonzern Edge Group hergestellt und sind mit dem französischen Galix-System ausgestattet. Auf Bildern, die in sozialen Medien geteilt und von Amnesty International überprüft wurden, ist das Galix-System auf mehreren von den sudanesischen Streitkräften (SAF) zerstörten oder erbeuteten Nimr-Ajban-Mannschaftstransportern zu sehen.
Das Galix-System, das von Lacroix Defense hergestellt und gemeinsam mit dem französischen Rüstungskonzern Nexter (jetzt KNDS France) entwickelt wurde, ist ein Abwehrsystem für Landstreitkräfte, das Täuschkörper, Rauch und Geschosse abwirft, um Bedrohungen aus nächster Nähe abzuwehren. Lacroix Defense wirbt damit, dass das Galix-System «Kampffahrzeuge vor einer herannahenden Bedrohung verbirgt und die Fahrzeuge, Kampfpanzer und Mannschaftstransporter schützt».
«Jeder Einsatz in Darfur wäre ein klarer Verstoss gegen das Uno-Waffenembargo.» Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International
«Unsere Recherchen zeigen, dass in Frankreich entwickelte und hergestellte Waffen auf dem Schlachtfeld im Sudan aktiv eingesetzt werden», sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International. «Jeder Einsatz in Darfur wäre ein klarer Verstoss gegen das Uno-Waffenembargo. Die französische Regierung muss dafür sorgen, dass Lacroix Defense und KNDS France die Lieferung dieses Systems an die VAE sofort einstellen.»
«Amnesty International hat bereits aufgezeigt, wie der ständige Zustrom von Waffen in den Sudan unermessliches menschliches Leid verursacht. Alle Länder müssen sofort alle direkten und indirekten Lieferungen von Waffen und Munition an die Kriegsparteien im Sudan einstellen. Sie müssen das vom Uno-Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo für Darfur respektieren und durchsetzen, bevor noch mehr zivile Opfer zu beklagen sind», sagt Agnès Callamard.
Amnesty International wandte sich am 15. Oktober 2024 an Lacroix Defense, KNDS France und das Generalsekretariat für nationale Verteidigung und Sicherheit in Frankreich und wies auf die Identifizierung des Galix-Systems im Sudan hin. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung lag noch keine Antwort vor.
Sorgfaltspflicht muss eingehalten werden
Die VAE und Frankreich haben eine langjährige Partnerschaft im Verteidigungssektor. Aus dem Bericht des französischen Parlaments über Waffenexporte 2024 geht hervor, dass französische Unternehmen zwischen 2014 und 2023 Rüstungsgüter im Wert von schätzungsweise 2,6 Mrd. Euro in die VAE geliefert haben.
Lacroix Defense ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten etabliert und hat bereits 2015 ein Joint Venture mit Emirates Defense Technology gegründet, um «eines der ersten französischen Unternehmen mittlerer Grösse zu sein, das sich in den VAE niedergelassen hat». Nimr-Ajban-Mannschaftstransporter sind seit mindestens 2017 mit dem Galix-System ausgestattet.
Die Europäische Union hat seit 1994 ein Waffenembargo gegen den gesamten Sudan verhängt. Das Embargo verbietet den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art, einschliesslich Waffen und Munition, Militärfahrzeugen und -ausrüstung, paramilitärischer Ausrüstung und Ersatzteilen an den Sudan.
Alle Unternehmen, einschliesslich Lacroix Defense und KNDS France, haben die Verantwortung, die Menschenrechte zu achten.
Frankreich ist durch internationales, regionales und nationales Recht verpflichtet, die Ausfuhr von Waffen zu verbieten, wenn ein erhebliches Risiko besteht, dass die Waffen zur Begehung oder Erleichterung einer schwerwiegenden Verletzung der internationalen Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts verwendet werden könnten. Wenn Frankreich nicht durch Ausfuhrkontrollen garantieren kann, dass die Waffen nicht in den Sudan exportiert werden, sollte es diese Transfers nicht genehmigen. Die Vereinigten Arabischen Emirate verstossen seit langem gegen Waffenembargos des Uno-Sicherheitsrates, auch in anderen Ländern wie Libyen.
Alle Unternehmen, einschliesslich Lacroix Defense und KNDS France, haben die Verantwortung, die Menschenrechte zu achten. Die Unternehmen sind verpflichtet, entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette – vom Ursprungsort bis zu den Endverbraucher*innen – eine Sorgfaltsprüfung der Menschenrechte durchführen, um jede tatsächliche oder potenzielle Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen zu erkennen, zu verhindern und abzumildern. Der Standard der geforderten menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht ist verschärft, wenn es um Geschäftstätigkeiten geht, die sich auf Konfliktgebiete auswirken.
Amnesty International fordert, dass der Uno-Sicherheitsrat sein Waffenembargo gegen Darfur auf den übrigen Sudan ausweitet und seine Durchführungs-, Überwachungs- und Überprüfungsmechanismen verstärkt.
Zu den Hintergründen
Der anhaltende bewaffnete Konflikt im Sudan, bei dem die sudanesischen Streitkräfte (SAF) gegen die Rapid Support Forces (RSF), eine paramilitärische Truppe der Regierung, kämpfen, brach am 15. April 2023 aus. Die Kämpfe folgten auf monatelange Spannungen unter anderem wegen Meinungsverschiedenheiten über eine mögliche Reform der Sicherheitskräfte, die im Rahmen der Verhandlungen über eine neue Übergangsregierung vorgeschlagen wurde.
Der Konflikt hat zu massenhaftem Leid unter der Zivilbevölkerung und zu grossflächigen Zerstörungen geführt. Mehr als 23’000 Menschen wurden getötet, mehr als 33’000 wurden verletzt.
Am 15. April 2024, dem ersten Jahrestag der jüngsten Konflikteskalation, hat Amnesty International eine weltweite Petition gestartet, in der der Uno-Sicherheitsrat aufgefordert wird, das bestehende Waffenembargo über Darfur hinaus auf den Rest des Sudan auszuweiten. Diese Petition ist Teil einer umfassenderen Kampagne von Amnesty International, die sich für den Schutz der Zivilbevölkerung im Sudan einsetzt und die Rechenschaftspflicht derjenigen fordert, die Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen haben.