Trotzdem gibt es immer noch unzählige Hindernisse, die Menschen davon abhalten, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, darunter Kriminalisierung, gesellschaftliche Stigmatisierung, geschlechtsspezifische Diskriminierung und Ausgrenzung.
Was ist ein Schwangerschaftsabbruch?
Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein medizinischer Vorgang, der eine Schwangerschaft beendet. Dies ist durch einen medikamentösen oder chirurgischen Eingriff möglich. Er gehört zur grundlegenden Gesundheitsversorgung, der von Millionen Frauen, Mädchen und Menschen, die schwanger werden können, in Anspruch genommen wird - laut Schätzungen wird weltweit eine von vier Schwangerschaften jedes Jahr abgebrochen. An Orten, wo Schwangerschaftsabbrüche legal und ohne Stigmatisierungen zugänglich sind, können Menschen sichere Schwangerschaftsabbrüche ohne Risiken durchführen. In der Schweiz wurden 2023 ungefähr 12 000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Das entspricht 14,7 Abbrüchen auf 100 Lebendgeburten. Damit hat die Schweiz eine der niedrigsten Raten der Welt. Die meisten Abbrüche in der Schweiz erfolgen durch die Einnahme von Medikamenten innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen.
Warum ist das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche ein Menschenrecht?
Jede Person hat das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Das bedeutet, dass jede*r selbst darüber entscheiden darf, ob er*sie schwanger werden möchte oder nicht. Menschen, die schwanger werden können, sollten also das Recht dazu haben, eine Schwangerschaft auch zu beenden.
Vielerorts ist dies allerdings nicht so einfach möglich – aufgrund von Stigmatisierungen, Kriminalisierung und Einschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen. Laut Schätzungen werden weltweit 25 Millionen unsichere Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt, die zu dem Tod der schwangeren Person oder körperlichen Einschränkungen führen können.
Menschen, die aufgrund von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ungleichheiten marginalisiert werden, haben noch grössere Schwierigkeiten, ihr Recht auf reproduktive Gesundheit wahrzunehmen.
In der Schweiz hat die schwangere Person bis zur 12. Schwangerschaftswoche selbst das Recht, darüber zu entscheiden, ob sie die Schwangerschaft abbrechen möchte.[1]
Das Recht auf Gesundheit
Unsichere Schwangerschaftsabbrüche sind weltweit der dritthäufigste Grund für den vermeidbaren Tod aufgrund von Schwangerschaft. Sie sind auch der Grund für fünf Millionen zum Grossteil vermeidbare körperliche Einschränkungen (Weltgesundheitsorganisation). Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen verhindert nicht, dass diese durchgeführt werden, sondern macht sie lediglich unsicherer für die Betroffenen, weil diese auf heimliche Methoden zurückgreifen müssen. Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ist also eine Frage der öffentlichen Gesundheit und ein wesentlicher Bestandteil unseres Rechts auf Gesundheit.
Das Recht auf Nichtdiskriminierung
Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ist eine Form der geschlechtsspezifischen Diskriminierung gegen Frauen, Mädchen und Menschen, die schwanger werden können. Das wurde auch von der Uno anerkannt, beispielsweise durch das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW).[2] Auch auf die Bedürfnisse von LGBTI*- Menschen, die vermehrt Diskriminierung und Stigmatisierung erfahren, muss eingegangen und der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sichergestellt werden.
Das Recht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung
Internationale Menschenrechtsvorschriften legen klar fest, dass Entscheidungen über den eigenen Körper nur selbst getroffen werden können – das nennt sich körperliche Selbstbestimmung. Reproduktive Selbstbestimmung bezieht sich auf das Recht, über die eigene Fortpflanzung zu entscheiden.
Jemanden dazu zu zwingen, eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen, oder einen unsicheren Abbruch durchzuführen, ist ein Verstoss gegen die Menschenrechte, darunter das Recht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung.
Was fordert Amnesty?
Einer der ersten Schritte dazu, die Menschenrechtsverletzungen und gefährlichen Konsequenzen der Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu vermeiden, ist sicherzustellen, dass alle Menschen, auch Jugendliche, Zugang zu Sexualbildung, wirksamen Verhütungsmethoden, und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen haben, sowie Hilfe bei Komplikationen bekommen.
Amnesty International setzt sich weltweit dafür ein, dass:[3]
- jede*r das Recht auf Schwangerschaftsabbruch hat, ohne Diskriminierung, Anwendung von Gewalt oder Zwang und ohne externe Zustimmung einzuholen,
- niemand aufgrund eines (versuchten) Schwangerschaftsabbruchs stirbt oder unnötige Schmerzen erleidet,
- niemand wegen eines (versuchten) Schwangerschaftsabbruchs misshandelt, gedemütigt oder erniedrigt wird oder Gefahr läuft, Opfer von sozialer Ausgrenzung oder Gewalt zu werden,
- der Staat sicherstellt, dass Schwangerschaftsabbrüche, Informationen zu Abbrüchen, und Betreuung vor und nach dem Eingriff verfügbar, zugänglich und guter Qualität sind,
- der Staat Hindernisse für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen beseitigt, die Ursachen von Diskriminierung bekämpft, und gesellschaftliche Ausgrenzung aufgrund von Geschlecht, Sexualität, ungewollten Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüchen beendet.
[1] Nach dieser Frist beurteilt eine ärztliche Fachperson die Situation. Die Kosten des Abbruchs werden abzüglich der Franchise und des Selbstbehalts von der Grundversicherung übernommen. Die schwangere Person und ihr Umfeld haben das Recht auf kostenlose Beratung und Unterstützung. Mehr Informationen hier.
[2] CEDAW Committee, General Recommendation 35 on gender-based violence against women, updating General
Recommendation 19, UN Doc. CEDAW/C/GC/35 (2017).
[3] Mehr zu Amnestys Policy (auf Englisch) zu Schwangerschaftsabbrüchen hier.