Der Widerstand gegen Trumps Erlasse mobilisiert Millionen. © Mathias Wasik / wasikphoto.com
Der Widerstand gegen Trumps Erlasse mobilisiert Millionen. © Mathias Wasik / wasikphoto.com

USA «Amnesty muss sich neu ausrichten»

Interview von Markus Bickel vom 19. Januar 2017. Das Gespräch mit Margaret Huang erscheint in der Februar/März-Ausgabe des Journals von Amnesty Deutschland.
Die Direktorin von Amnesty International USA, Margaret Huang, zeigt sich entschlossen, die Menschenrechte in den USA gegen den kommenden amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu verteidigen.
Margaret Huang, Direktorin von Amnesty International USA. Margaret Huang, Direktorin von Amnesty International USA. Wie beurteilen Sie den Amtsantritt von Donald Trump?

Wir sind zutiefst besorgt, was die Menschenrechte betrifft. Aussagen, wie sie Trump während seines Wahlkampfs machte, hat es zuvor nicht gegeben. Sie sind beispiellos und ganz offensichtlich besorgniserregend. Ausserdem hat Trump Personen in sein Kabinett geholt, die Menschenrechten feindlich gegenüberstehen. Amnesty International hat in den USA mehr als eine Million Mitglieder und Unterstützer, und wir werden jeden Versuch der neuen Administration bekämpfen, die Menschenrechte auszuhöhlen.

Im Wahlkampf hat Trump sich unter anderem positiv über «Waterboarding» und andere Foltermethoden geäussert.

Trump hat ausdrücklich gesagt, dass er «Waterboarding» nicht nur befürwortet, sondern mag. Um genau zu sein, hat er sogar gesagt, dass es nicht weit genug gehe. «Waterboarding» ist Folter. Kein Mensch erhält dadurch mehr Sicherheit, und es untergräbt jeglichen Versuch, ein Vorbild zu sein was die Umsetzung von Menschenrechten angeht. Amnesty wird jegliches Bestreben entschieden bekämpfen, Foltermethoden wie «Waterboarding» wiederaufzunehmen oder auszuweiten.

Welche Auswirkungen haben die diskriminierenden Äusserungen Trumps im Wahlkampf auf die Stimmung im Land?

Seit der Präsidentenwahl haben Bedrohungen und Hasskriminalität in den USA zugenommen. Trump sendet mit seiner Rhetorik eine gefährliche Botschaft, die vergleichbar ist mit der Rhetorik rund um das Brexit-Referendum in Grossbritannien. Wir dürfen nicht zulassen, dass Fremdenhass und Diskriminierung immer weiter um sich greifen, und wir dürfen nicht zulassen, dass sie zur Grundlage von Gesetzen werden.

Wie beurteilen Sie im Nachhinein die Präsidentschaft von ­Barack Obama?

In Bezug auf die Menschenrechte ist Obamas Bilanz durchwachsen. Ihm ist es in vielen Bereichen gelungen, Menschenrechte auf die Tagesordnung zu setzen, in anderen jedoch nicht. Er hat die Anwendung von Folter verboten und dafür gesorgt, dass mehr Amerikaner Gesundheitsversorgung erhalten. Er hat Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen zu mehr Rechten verholfen und Rassismus bei der Polizei zum Thema gemacht. Doch wurden unter ihm auch Drohneneinsätze zu Überwachungs- und Angriffszwecken ausgeweitet und das unter George W. Bush eingeführte Überwachungsprogramm beibehalten. Zahlreiche Menschen wurden abgeschoben und Einwanderer in Gewahrsam genommen. Ausserdem hat Obamas Regierung Waffen an repressive Regierungen verkauft, zum Beispiel an Saudi-Arabien.

Kann Trump seinen Vorgänger in den von Ihnen aufgezeigten Bereichen denn wirklich noch unterbieten?

Amnesty International hat hart daran gearbeitet, Präsident Obama in Menschenrechtsfragen zur Verantwortung zu ziehen. Und es ist uns gelungen, bei einer Reihe von Vorhaben Änderungen zu bewirken – unter anderem bei der Anwendung von Folter und beim Verkauf von Waffen, die zu Menschenrechtsverstössen eingesetzt werden können. Alarmierende Aussagen wie die Trumps während des Wahlkampfs hat es vorher noch nicht gegeben. Wir werden alles daran setzen zu verhindern, dass aus diesen Positionen Gesetze werden.

Obama hatte 2009 versprochen, das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zu schliessen. Doch besteht es bis heute weiter.

Wir fürchten, dass die Chancen einer Schliessung von Guantánamo unter Trump noch weitaus geringer sind als unter Oba­ma, der das bei seiner Amtseinführung versprochen hatte.

Trump hat zwei frühere Generäle zu Ministern ernannt, auch sein Nationaler Sicherheitsberater, Michael Flynn, ist pensionierter Dreisternegeneral. Wird das zu einer weiteren Militarisierung der amerikanischen Politik führen?

Es ist schwierig, jetzt schon Prognosen abzugeben, was das Handeln der neuen Administration bestimmen wird. Aber frühere Äusserungen der beiden neuen Minister für Heimatschutz und für Verteidigung bereiten uns natürlich Sorgen, was eine weitere Militarisierung der Aussenpolitik und eine Lockerung der Waffengesetze im Inland betrifft. Mehr Waffen führen zu mehr Gewalt - und nicht zu weniger Straftaten. Amnesty International betrachtet die massenhafte Verbreitung von Waffen in den USA als eine Menschenrechtskrise, und eine unserer wichtigsten Kampagnen hat zum Ziel, diese zu beenden. In den kommenden Jahren werden wir unsere Arbeit vor allem auf der Ebene der Bundesstaaten fortsetzen, in der Hoffnung, dort Fortschritte erzielen zu können.

Werden Sie durch gesetzliche Vorgaben für NGOs daran gehindert, noch entschiedener gegen Trumps Politik vorzugehen?

Die Gesetze verbieten, dass steuerbefreite Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International Einfluss auf den Ausgang von Wahlen nehmen dürfen. Daran halten wir uns. Aber nun, da das Volk gewählt hat, werden wir nicht zögern, den Präsidenten an seine Verantwortung für den Schutz der Menschenrechte in den USA und weltweit zu erinnern.

Muss sich Amnesty International in den USA für die Jahre von Trumps Präsidentschaft strategisch neu ausrichten?

Ja. Wir haben seit der Wahl all unsere Kampagnenpläne und Strategien überdacht. In bestimmten Bereichen, zum Beispiel bei unserer Flüchtlingskampagne, werden wir unsere Ziele so anpassen, dass auch unter einem konservativeren Kongress Erfolge möglich sind. In anderen Bereichen müssen wir unsere Arbeit schnell ausweiten - das betrifft zum Beispiel die Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern, die sich gegen Gesetze zur Wehr setzen, die Trump umsetzen will und die die Menschenrechte bedrohen. Zugleich fühlen wir uns natürlich weiter dem Einsatz für Menschenrechtsverteidiger weltweit verpflichtet. Amnesty hat die politische Führung immer für ihr Handeln verantwortlich gemacht. Deshalb ist unsere Arbeit in dieser neuen politischen Landschaft wichtiger denn je.