Trump macht ernst. Vergangenen Freitag sagte Präsident Trump mittels eines Präsidentendekrets «zum Schutz der Nation vor Terroranschlägen durch ausländische Staatsangehörige» muslimischen Flüchtlingen aus aller Welt den Kampf an.
Damit hat der US-Präsident mit einem Federstrich unter anderem dafür gesorgt, dass Flüchtlinge aus Syrien nicht mehr in die USA einreisen können. Auch Personen (einschliesslich Flüchtlinge) aus Libyen und Somalia sowie aus dem Iran, dem Irak, dem Sudan und dem Jemen haben Einreiseverbot erhalten. Diese sieben Länder haben zwei wichtige Dinge gemeinsam: Sie sind überwiegend muslimisch, und aus ihnen kommen die meisten derjenigen Menschen, die vor schweren Menschenrechtsverletzungen wie Verfolgung und Folter in andere Länder fliehen und dort Asyl beantragen.
Das Präsidentendekret ist geradezu grotesk in seiner Irrationalität. Doch wir sollten uns hüten, darüber zu lachen.
Wäre die Lage nicht so verstörend und gefährlich, müsste man die Peinlichkeit und Absurdität dieses Präsidentendekrets als lächerlich bezeichnen.
Was es so aberwitzig macht, ist die Tatsache, dass es absolut keine Belege dafür gibt, dass Flüchtlinge – muslimisch oder nicht-muslimisch – ein grösseres «Terror-Risiko» darstellen als die Staatsangehörigen des Aufnahmelandes. Bei Flüchtlingen handelt es sich nicht um Menschen, die terroristische Handlungen begehen. Flüchtlinge sind Menschen, die vor Personen fliehen, die terroristische Handlungen begehen. Und letztere erhalten gemäss dem Völkerrecht gar nicht erst die Möglichkeit, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Zudem werden Flüchtlinge im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmeprogramms der USA schon jetzt Sicherheitskontrollen unterzogen, die rigoroser und sorgfältiger sind als die Kontrollen anderer Besucher oder Einwanderer in die USA.
Das Präsidentendekret ist geradezu grotesk in seiner Irrationalität. Doch wir sollten uns hüten, darüber zu lachen. Es ist ein haarsträubendes Dokument. Wir befinden uns heute in einer globalen Notfallsituation, in der sich 21 Millionen Menschen auf der Flucht befinden. Und eines der reichsten und einflussreichsten Länder der Welt reagiert darauf mit dem Entzug des beinahe einzigen Hoffnungsschimmers dieser Menschen: der Möglichkeit auf Neuansiedlung («Resettlement»). Resettlement bezeichnet ein Verfahren, das schutzbedürftigen Personen (wie z. B. Folteropfern oder gefährdeten Frauen und Mädchen), die beispielsweise in Jordanien, Kenia, Pakistan oder im Libanon festsitzen, die Möglichkeit gibt, in Länder wie die USA einzureisen, um dort dauerhaft aufgenommen zu werden. Mit Trumps Präsidentendekret werden daher Aufnahmeländer im Stich gelassen und Personen bestraft, die äusserst schutzbedürftig sind.
Hinter dem Dekret steckt eine schamlos muslimfeindliche Agenda.
Wird in dem Präsidentendekret ausdrücklich von einem Einreiseverbot für muslimische Flüchtlinge gesprochen? Das nicht. Und doch steckt dahinter eine schamlos muslimfeindliche Agenda. Alle Länder, die von den neuen Einschränkungen betroffen sind, sind mehrheitlich muslimisch. Mit seinem Dekret sendet Präsident Trump ein klares Signal, dass die USA vor Muslimen geschützt werden müssen und Muslime grundsätzlich gefährlich sind.
In dem Text des Präsidentendekrets heisst es ausserdem, dass Personen, die aus religiösen Gründen verfolgt werden, nicht den neuen Einschränkungen unterliegen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn sie einer religiösen Minderheit angehören. Auf gut Deutsch bedeutet dies, dass die US-Regierung christlichen Flüchtlingen aus vorwiegend muslimischen Ländern die Möglichkeit auf eine Neuansiedlung gewährt. Indem also von Schutz vor religiöser Verfolgung gesprochen wird, werden Menschen aufgrund ihrer Religion diskriminiert. Es ist sogar möglich, dass sich diese bevorzugte Behandlung für Angehörige christlicher Minderheiten in manchen Ländern ins Gegenteil verkehrt, wenn sie dort bereits Diskriminierung und Gewalt befürchten müssen, weil sie einer vermeintlich «fremden» bzw. «amerikanischen» Religion angehören.
Insgesamt würde sich dieses Präsidentendekret ideal als Rekrutierungsmechanismus für bewaffnete Gruppen wie den sogenannten Islamischen Staat eignen: Gruppen, die allen zeigen möchten, wie feindselig Länder wie die USA muslimischen Menschen gegenüberstehen.
2016 waren 72 Prozent der in den USA neu angesiedelten Flüchtlinge Frauen und Kinder.
Es besteht kein Zweifel: Dieses Einreiseverbot wird dazu führen, dass Menschen ihr Leben lassen. Länder, die bereits eine grosse Zahl an Flüchtlingen aufgenommen haben und sich nun von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen fühlen, werden die Abschiebung von Flüchtlingen veranlassen bzw. verstärken. Schutzbedürftige Frauen, Männer und Kinder, die unter unerträglichen Bedingungen in einem fremden Land festsitzen und nun nicht mehr in die USA weiterreisen können, werden sich dafür «entscheiden», in ihr Herkunftsland zurückzukehren und riskieren so, gefoltert oder getötet zu werden.
Wir sollten uns dringend ins Gedächtnis rufen, wer diese betroffenen Personen sind. Im Jahr 2016 handelte es sich bei 72 Prozent der in den USA neu angesiedelten Flüchtlinge um Frauen und Kinder.
Meiner Ansicht nach trägt der Begriff «Flüchtling» in keinster Weise den Personen Rechnung, die in Hoffnung auf ein neues und friedliches Leben couragiert Meere und Wüsten durchqueren und sich allen nur denkbaren Arten von Gefahren aussetzen. Ich hatte die grosse Ehre, mich mit einigen von ihnen zu unterhalten, und war jedes Mal voller Bewunderung für die Widerstandskraft, die sie angesichts beinahe unvorstellbarer Hindernisse an den Tag legen. Jedes einzige Land, auch die USA, würde davon profitieren, diese Menschen aufzunehmen.
Präsident Trump hat offenbar alle Hemmungen fallengelassen. Doch auch unsere Reaktion wird nicht von Zurückhaltung geprägt sein. Gemeinsam mit unzähligen Menschen und Organisationen, die sich für schutzsuchende Personen einsetzen, stehen wir solidarisch Seite an Seite mit den 21 Millionen Flüchtlingen weltweit.
Weitere Informationen
USA: Trump’s policy decisions blocking refugees puts hateful rhetoric into action (27. Januar 2017)
USA: We Will Fight Trump’s Effort to Close U.S. Borders (25. Januar 2017)