Bundesrat Cassis bei seinem Besuch in Sambia. © Twitter
Bundesrat Cassis bei seinem Besuch in Sambia. © Twitter

Schweiz Naivität oder Absicht?

Kommentar von Manon Schick, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz; erschienen in 24 Heures, am 15. Januar 2019.
Glencore wird zum Stachel im Fleisch von Aussenminister Ignazio Cassis

Manon Schick. © AI

Man hätte sich vorstellen können, dass der Aussenminister für seine erste Afrikareise ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit aussucht, schliesslich ist diese eine wichtige Aufgabe seines Departements.

Man hätte auch denken können, dass er sich in ein Konfliktgebiet begibt und dort lokale Organisationen besucht, welche sich mit Schweizer Hilfe für den Frieden einsetzen.

Aber nein, Ignazio Cassis hat Sambia ausgewählt. Weil es dort eine Mine des Rohstoffmultis Glencore gibt, der seinen Hauptsitz in Zug hat. Hat unser Aussenminister etwa vergessen, dass er letzten Dezember keinen Departementswechsel vorgenommen hat und nicht dem Staatssekretariat für Wirtschaft vorsteht? Oder ist er einfach nicht darüber informiert, dass Glencore seit Jahren von Nichtregierungsorganisationen wegen Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen kritisiert wird – und das in vielen Ländern der Welt?

Eine Bundesratsreise wird nicht einfach nach Lust und Laune geplant. Muss man also davon ausgehen, dass die Symbolik des Besuchs dieser Mine durchaus gewollt war und dass der Tweet von Glencore schon im Voraus aufgesetzt wurde – in Absprache mit Cassis’ Departement? Just zu der Zeit, da die Reise des Aussenministers geplant wurde – also während der Weihnachtszeit – bewarfen Sicherheitsleute von Glencore indigene Bäuerinnen und Bauern mit Steinen, um sie von ihrem Land zu vertreiben. Klar, dies geschah in einer ganz anderen Ecke der Welt. Aber es steckt dasselbe Unternehmen dahinter.
Natürlich wartete man vergeblich auf einen Tweet unseres Ministers, der diese Gewalt verurteilt hätte.

Es gibt einige Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz, die im Rahmen ihrer Auslandstätigkeiten die Umwelt verschmutzen und Menschenrechte verletzen: Kinderarbeit, Gesundheitsschäden wegen Gewässerverschmutzung… die Beispiele sind erdrückend. Niemals würden wir es akzeptieren, dass sich Unternehmen in der Schweiz so verhalten. Also warum sollen wir tolerieren, dass ihre Tochterfirmen dies in andern Ländern tun?

Die Kontroverse um den Besuch unseres Ministers in der Mine Mopani hat zumindest dazu beigetragen, unsere Initiative für verantwortungsbewusste multinationale Unternehmen, die von mehr als hundert NGOs in der Schweiz unterstützt wird, in den Vordergrund zu stellen.

Im Gegensatz zum Bundesrat ist das Parlament der Meinung, dass verbindliche Regeln notwendig sind, um die Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte zu verpflichten. Das Parlament hat aber nach wie vor Schwierigkeiten, sich auf einen Gegenvorschlag zu einigen. Die Debatten der kommenden Monate werden entscheidend sein. Ohne einen verbindlichen Gegenvorschlag wird die Initiative nicht zurückgezogen. Es wäre dann an der Schweizer Stimmbevölkerung zu entscheiden, ob sie die in unserem Land ansässigen multinationalen Konzerne zur Achtung von grundlegenden Rechten zwingen will oder nicht.