Der Briefmarathon von Amnesty International feiert dieses Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Seit 2001 hat die Organisation Millionen von Appellen zur Unterstützung von Menschen gesammelt, die zu Unrecht inhaftiert oder verfolgt werden. Der Briefmarathon (Englisch «Write for Rights») hat sich zur weltweit grössten Menschenrechtskampagne entwickelt.
Jedes Jahr im Dezember schreiben Menschen auf der ganzen Welt Millionen von Briefen, E-Mails, Tweets, Facebook-Posts und Postkarten zur Unterstützung bedrohter Personen. Der Briefmarathon hat seit 2001 das Leben von mehr als 100 Menschen verändert und dazu beigetragen, sie vor Folter zu schützen oder aus rechtswidriger Haft zu befreien.
In diesem Jahr fordert Amnesty International Gerechtigkeit für mutige Einzelpersonen: zu ihnen gehört eine Bürgerjournalistin, die in China inhaftiert wurde, weil sie über Corona berichtete; ein Umweltaktivist, der in Guatemala in Haft ist, weil er sich in seinem Land gegen die Zerstörung eines für seine Gemeinschaft heiligen Flusses einsetzt; eine junge Journalistin aus dem besetzten Westjordanland, die mehrmals mit dem Tod bedroht wurde.
«Jedes Jahr wird der Briefmarathon zum Rettungsanker für Menschen auf der ganzen Welt, die bedroht und verfolgt werden, weil sie für ihre Rechte eintreten», sagt Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz. «Es sind Menschen, die gegen Ungleichheit, Diskriminierung und politische Unterdrückung kämpfen.»
«Der Briefmarathon verkörpert all das, wofür Amnesty steht – Menschen aus aller Welt, die zusammenstehen und mit einer Stimme gegen Ungerechtigkeit kämpfen.» Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz
Alexandra Karle sagt: «Der Briefmarathon verkörpert all das, wofür Amnesty steht – Menschen aus aller Welt, die zusammenstehen und mit einer Stimme gegen Ungerechtigkeit kämpfen. Ein Tweet, eine Unterschrift, ein Solidaritätsbrief an die Betroffenen oder eine Protestnote an die verantwortlichen Regierungen und Behörden – manchmal kann eine kleine Geste den Unterschied machen. Die letzten 20 Jahre des Briefmarathons zeigen, dass Worte Macht haben.»
Solidarität mit junger Journalistin
Eine der Personen, für die Amnesty International sich in der diesjährigen Kampagne einsetzt, ist die 15-jährige Janna Jihad, die in dem kleinen palästinensischen Dorf Nabi Saleh aufgewachsen ist. Im Jahr 2009, als Janna drei Jahre alt war, begann ihre Gemeinde, wöchentlich friedliche Demonstrationen gegen die Besatzung abzuhalten. Diese Demonstrationen wurden von den israelischen Streitkräften mit Gewalt niedergeschlagen. Als Janna sieben Jahre alt war, fing sie an, mit dem Telefon ihrer Mutter solche Erlebnisse aufzuzeichnen. Sie wurde somit zu einer der jüngsten Menschenrechtsreporterinnen aller Zeiten.
Ihre Dokumentationen zogen unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich, Janna wurde schikaniert und mit dem Tode bedroht. Trotzdem ist sie entschlossen, ihre Arbeit fortzusetzen. Sie erzählt: «Die Geschichten meiner Verwandten über ihre Festnahmen hat mich veranlasst, mir Gehör zu verschaffen. In solchen Situationen zu schweigen ist unmöglich, denn ich will ja etwas verändern.»
Amnesty International ruft ihre Unterstützer*innen auf, in diesem Jahr Briefe zu schreiben, um Schutz für Janna zu fordern.
Amnesty International fordert auch Gerechtigkeit für:
- Mikita Zalatarou, der mit 16 Jahren festgenommen wurde, nachdem er in Belarus in eine Menschenmenge geraten war, die eine Demonstration verliess. Er wurde in Einzelhaft gehalten, wo er Berichten zufolge gefoltert wurde.
- Bernardo Caal Xol, der in Guatemala inhaftiert ist, weil er sich gegen die Zerstörung des Flusses Cahabón eingesetzt hat.
- Zhang Zhan, die als Citizen-Journalistin in China wegen ihrer Berichterstattung über den Corona-Ausbruch in Wuhan inhaftiert wurde.
- Imoleayo Adeyeun Michael, der wegen seiner Teilnahme an der #EndSARs-Bewegung in Nigeria angeklagt wurde und 41 Tage lang in einer unterirdischen Gefängniszelle verbringen musste.
Der Briefmarathon begann vor 20 Jahren in Warschau, als eine Gruppe von Amnesty-Aktivist*innen beschloss, den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember mit einem 24-stündigen Briefmarathon zu begleiten. Mit einem Anstieg von 2326 Briefen im Jahr 2001 auf über 4,5 Millionen Briefe, Tweets und Petitionsunterschriften im Jahr 2020 hat sich der Briefmarathon zur weltweit grössten Menschenrechtskampagne entwickelt.
«Ich bin sehr dankbar für die Briefe. Ich bin überzeugt, dass ich es dieser Kampagne verdanke, dass ich noch am Leben bin.» Jani Silva, Umweltaktivistin aus Kolumbien
Eine Kampagne, die Wirkung zeigt – wie Jani Silva, eine Umweltaktivistin aus Kolumbien, bestätigen kann. Jani Silvas unerschrockener Widerstand gegen Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen führte zu Schikanen, Einschüchterungen und Todesdrohungen. Im Jahr 2020 forderten mehr als 400‘000 Menschen im Briefmarathon ihren Schutz.
Jani berichtete Amnesty International: «Ich bin sehr dankbar für die Briefe. Ich bin überzeugt, dass ich es dieser Kampagne verdanke, dass ich noch am Leben bin. Die Appelle haben sie davon abgehalten, mich zu töten. Sie wissen, dass ihr da seid.»