Seit mehr als 20 Jahren recherchiert Amnesty International die Auswirkungen der Geschäfte von Shell im Niger-Delta und sammelte eine Reihe schlagkräftiger Beweise, die zeigen, welche Rolle der Ölgigant bei Menschenrechtsverletzungen spielte. Im Report «On trial: Shell in Nigeria – Legal Actions Against the Oil Multinational» konnte Amnesty International Fälle dokumentieren, für die sich Shell im Jahr 2020 in Nigeria in einem beispiellosen Gerichtsverfahren verantworten muss. Die Fälle reichen von Mittäterschaft an unrechtmässigen Tötungen bis hin zu systematischer Umweltverschmutzung im Niger-Delta.
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Shell wird 2020 einer Untersuchung seiner Aktivitäten in Nigeria unterzogen werden. In diesem Ausmass sind Untersuchungen der Tätigkeiten von Shell noch nie zuvor gemacht worden. Denn für die betroffenen lokalen Gemeinschaften in Nigeria ist es sehr schwierig, gegen grosse Firmen vor Gericht zu klagen. Dennoch haben mutige Geschädigte in den Niederlanden und Grossbritannien, wo sich der Hauptsitz von Shell befindet, Klagen eingereicht. In den Niederlanden werden die Klagen von Esther Kiobel gegen Shell untersucht. Sie hat zusammen mit weiteren Witwen aus Nigeria Shell verklagt, weil der Konzern ihrer Ansicht nach eine Rolle bei der rechtswidrigen Festnahme, Inhaftierung und Hinrichtung ihrer Ehemänner durch das nigerianische Militär gespielt hatte.
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Ausserdem haben vier Bauern und Umweltaktivisten separate Klagen gegen die Muttergesellschaft Royal Dutch Shell (RDS) wegen der verursachten Schäden durch Ölverschmutzungen ein gereicht.
Im Juni 2020 wird der Oberste Gerichtshof Grossbritanniens über einen Berufungsantrag von zwei Gemeinden, Ogale und Bille, entscheiden – auch hier geht es um Umweltverschmutzung. Das Gericht wird entscheiden, ob es in der kritischen Frage fortfahren kann.
Eine weitere Gemeinde, Bodo, hatte Shell 2012 ebenfalls verklagt. Shell hatte drei Jahre später eine Zahlung von 70 Millionen US-Dollar für die Folgen der Verschmutzung geleistet und sich zur Reinigungsarbeiten verpflichtet. Aufgrund der mangelnder Fortschritte und den anhaltenden Schäden, die die Gemeinschaft erleidet, droht die Gemeinde Bodo damit, in London erneut vor Gericht zu gehen, sollte die Verschmutzung nicht bis Mitte 2020 beseitigt sein.
«Im Prinzip sollte es keine Gerichtsverfahren brauchen, damit Shell Verantwortung für die Menschenrechte und die Umwelt übernimmt,» sagt Mark Dummett, Direktor für Wirtschaft, Sicherheit und Menschenrechte bei Amnesty International. «Shell ist verpflichtet, die Menschenrechte der im Niger-Delta lebenden Menschen zu respektieren. Shell müsste viel mehr Massnahmen zur Verhinderung von Öllecks ergreifen und verseuchtes Land und Wasser sanieren.»