Frederick Florin/AFP via Getty Images
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Schweiz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte schafft Präzedenzfall zu Klimagerechtigkeit

Medienmitteilung 9. April 2024, London/Bern – Medienkontakt
Indem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) auf eine Beschwerde der KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz eingetreten ist, schafft der Gerichtshof einen historischen Präzedenzfall für die Klimagerechtigkeit. Untätigkeit angesichts der Bedrohungen durch die globale Erwärmung ist nicht länger angebracht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) fällte am 9. April 2024 ein historisches Urteil zur Klimagerechtigkeit, welches die Klage der Schweizer KlimaSeniorinnen betraf. Der EMGR ist auf eine Beschwerde der KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz eingetreten und kam zum Schluss, dass die Schweiz zu wenig im Kampf gegen den Klimawandel unternimmt.

«Strategische Gerichtsverfahren können dazu beitragen, Klimagerechtigkeit zu erreichen und die Rechte von Milliarden Menschen zu schützen, die von der Klimakrise bedroht sind. Insbesondere die Rechte der am stärksten Benachteiligten. Ausserdem können solche Gerichtsverfahren zu Menschenrechtsverbesserungen führen – wie wir heute am Beispiel des Schweizer Falls erlebt haben.» Mandi Mudarikwa, Leiterin der Strategischen Gerichtsverfahren von Amnesty International

Mandi Mudarikwa, Leiterin der Strategischen Gerichtsverfahren von Amnesty International, sagt dazu: «Der EGMR hat heute mit seinem Urteil im Fall der Schweizer Klima-Seniorinnen einen wichtigen und historischen Präzedenzfall geschaffen. Er stellte fest, dass die Schweizer Regierung ihre Pflichten in der EMRK bezüglich Klima verletzt hatte, indem sie versäumte, klare Grenzen für Treibhausgasemissionen festzulegen und ihre Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen nicht erreichte.»

Neben der Klage der KlimaSeniorinnen entschied der Gerichtshof auch über die Fälle, die von sechs jungen Portugies*innen und einem ehemaligen französischen Bürgermeister und Mitglied des Europäischen Parlaments eingereicht worden waren. «Die Entschlossenheit und Hartnäckigkeit der Antragstellerinnen in allen drei Fällen, die Klimagerechtigkeit vor die Gerichte zu bringen, ist sowohl bemerkenswert als auch ermutigend. Wir erkennen insbesondere den Mut der beteiligten jungen Menschen an, die nicht nur ihre eigene Zukunft, sondern auch die Zukunft kommender Generationen schützen wollen. Das Urteil im Schweizer Fall stärkt rechtliche Wege zur Erreichung von Klimagerechtigkeit durch den EGMR. Es ist von enormer Bedeutung, dass der EGMR den von Klimawandel betroffenen Schaden anerkannte und urteilte, dass die Schweizer Regierung zu wenig unternahm, um Treibhausgasemissionen einzudämmen und die Antragstellerinnen angemessen zu schützen. Das Urteil des EGMR sendet eine starke Botschaft an die politischen Entscheidungsträger*innen in europäischen Ländern, dass Staaten ihre Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels intensivieren müssen. Wir stellen fest, dass die Entscheidungen des EGMR, die anderen beiden klimabezogenen Fälle abzuweisen, auf Verfahrensüberlegungen beruhten und nicht auf den Verdiensten der Fälle.»

«Strategische Gerichtsverfahren können dazu beitragen, Klimagerechtigkeit zu erreichen und die Rechte von Milliarden Menschen zu schützen, die von der Klimakrise bedroht sind. Insbesondere die Rechte der am stärksten Benachteiligten. Ausserdem können solche Gerichtsverfahren zu Menschenrechtsverbesserungen führen – wie wir heute am Beispiel des Schweizer Falls erlebt haben.»

Zu den Hintergründen

Neben dem Fall zwischen der Schweiz und den KlimaSeniorinnen entschied der Gerichtshof auch über die Fälle, die von sechs jungen Portugies*innen sowie einem ehemaligen französischen Bürgermeister und Mitglied des Europäischen Parlaments eingereicht worden waren.

Im Fall «KlimaSeniorinnen Schweiz und Andere gegen die Schweiz» argumentierte eine Gruppe von mehr als 2500 älteren Schweizerinnen, dass das Versäumnis ihrer Regierung, angemessene Massnahmen gegen den Klimawandel zu treffen, ihre Menschenrechte auf Gesundheit und Leben verletze und sie während Hitzewellen in Lebensgefahr bringe.

In «Duarte Agostinho und Andere gegen Portugal und 31 weitere Staaten» argumentierten sechs junge Portugies*innen, dass Länder, die an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden sind – die 27 EU-Staaten sowie das Vereinigte Königreich, die Schweiz, Norwegen, Russland und die Türkei – nach Hitzewellen und Waldbränden gegen mehrere Menschenrechte verstossen hätten. Amnesty International reichte eine Drittparteienintervention ein, in der die Verpflichtung der Regierungen zur Schaffung von Klimapolitiken, die die Rechte von Menschen ausserhalb ihrer Grenzen schützen, thematisiert wurde.

Im dritten Fall argumentierte Damien Carême, ein ehemaliger Bürgermeister von Grande-Synthe, einem Vorort von Dünkirchen im Norden Frankreichs, dass die französische Regierung ihre Pflicht vernachlässigt habe, Leben zu schützen, indem sie nicht ausreichend Massnahmen zur Verhinderung des Klimawandels ergriffen habe und somit das Risiko zukünftiger Überschwemmungen in der Region erhöht habe.

Das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt wurde 2022 von der Uno-Generalversammlung anerkannt. Amnesty International ist Teil einer Koalition, die sich für die Annahme eines Zusatzprotokolls der Europäische Menschenrechtskonvention einsetzt, das dazu beitragen würde, die Rechtsprechung des EGMR zum Umweltschutz, einschliesslich des Klimawandels, zu stärken und zu klären.